Von Christian Russau (GegenStrömung)
Im Nordosten von Kambodscha, in der Provinz Stung Treng, bauen Investoren aus Kambodscha, China und Vietnam Kambodschas mit künftig 400 MW größten Staudamm zur Elektrizitätsproduktion, an dem linksseitigen Mekong-Zufluss des Sesan im Zusammenfluss mit dem Srepok-Fluss, den im Bau befindlichen „Lower Sesan II“-Damm. Für den nach Fertigstellung des Walls dann 75 Meter hohen Damm investieren die chinesische Lancang Hydropower International, die einen Anteil von 51 Prozent an dem Projekt hält, die kambodschanische Royal Group (39 Prozent) sowie die vietnamesische EVN International (10 Prozent Anteil) zusammen umgerechnet 816 Millionen US-Dollar, die zum Großteil aus China als Kredite investiert werden.
Aber nicht alle sind froh über das Projekt. Schätzungen gehen von 5.000 Personen aus, die für den Bau insgesamt zwangsumgesiedelt wurden bzw. noch werden, und rund 40.000 Menschen, die entlang der Sesan- und Srepok-Flüsse auf den Fluss- und Sandbänken leben und vom Dammbau in Mitleidenschaft gezogen werden, da sie ihr Einkommen größtenteils aus dem durch den Dammbau bedrohten Fischfang beziehen, berichtete die britische Tageszeitung Independent.
Anfang März 2016 gab es nun in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh eine Veranstaltung mit Staudammgegnern, die sich gegen ihre Zwangsumsiedlung zur Wehr setzen. Khmer Times hob die Rede der Kleinbäuerin Frau Nat Sota hervor, die wie andere 180 Familien aus den 140 Häusern der Ortschaften Sre Kor und Kbal Romeas sich weigerten, ihre Häuser zu räumen. Die Anwohnerin beklagte, sie könne ihr Land und Haus nicht aufgeben, da sie vom Ertrag und vom Zugang zum Fluss als Nahrungsquelle lebe. „Ich würde lieber hier sterben, als irgendwo anders hinzuziehen“, erklärte sie. „Wie ich gehört habe, würde ich in dem neuen Ort mein Gemüse, Wasser und Fleisch kaufen müssen.“
Die Behörden versprachen den Betroffenen, dass jede Familie ein 80 Quadratmeter großes Haus erhalte und ein 1.000 Quadratmeter großes Stück Grundstück sowie fünf Hektar Farmland. Für die neuen Orte seien Schulen, medizinische Einrichtungen, eine Gemeindehalle, eine Polizeistation sowie Tempelpagoden und Straßen geplant. Alle Einwohner würden zudem ans Stromnetz und an ein Abwassersystem angeschlossen werden, berichtet die Khmer Times, die Behördenvertreter zitierend.
Doch ein anderer Anwohner, der die Umsiedlung zuvor akzeptiert hatte, berichtete der Zeitung, dass er zuvor von Fischfang und kleinbäuerlicher Landwirtschaft gut überleben konnte. In dem neuen Umsiedlungsort aber gebe es schlechte Infrastruktur, eine schlecht instandgesetzte Straße und nur einen kleinen Kanal, der den Ort bei Starkregen überflute. Er erklärte, ohne den nahen Fluss seien nun viele der Bewohnerinnen und Bewohner arbeitslos und sie hätten keinen Zugang mehr zu frischem, sauberen Wasser.
Das Volk der Bunong lebt vor Ort an dem Zusammenfluss der Sesan- und Srepok-Flüsse, betreibt Reisfeldanbau, Gemüsegärten, Fisch- und Viehzucht. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben eine Videostory erstellt, in der sie von ihrer Angst um ihre angestammte Lebenswelt berichten und sich gegen den Dammbau aussprechen. Zudem werfen die Bewohnerinnen und Bewohner den Betreibern, Bauherren, den Behörden und der Regierung vor, sie wären nie angemessen konsultiert worden, obwohl die ILO 169 ihnen als indigene Bevölkerung dies eigentlich garantieren müsste.
Die internationale Nichtregierungsorganisation International Rivers berichtete, dass eine im Jahr 2012 für die Proceedings of the National Academy of Sciences erstellte Studie feststellte, dass der Bau des Lower Sesan II-Damms einen Rückgang der Fischbestände um 9,3 Prozent vor Ort hätte, da rund 50 Fischarten in ihrem Bestand bedroht würden. Die Auswirkungen des Damm wären in Zukunft aber auch entlang des Mekong-Flusses, flussauf- wie auch flussabwärts zu spüren, sogar bis nach Vietnam, Laos und Thailand.
Kambodscha gewinnt derzeit 61 Prozent seiner Elektrizität aus sechs in Betrieb befindlichen Dämmen, die restlichen 39 Prozent kommen aus Biomasse- und Kohlebetriebenen Kraftwerken sowie durch Strom, der aus dem Nachbarland Vietnam importiert wird. Das Dammprojekt Lower Sesan II wurde 2012 von der Regierung Kambodschas bewilligt, obwohl die Umweltfolgenstudie den „Best Practice“-Test nicht bestand. Ende 2016 war das Lower Sesan II-Dammprojekt laut Betrieberangaben zu 80 Prozent fertiggestellt, die erste Turbine soll im Oktober 2015 in Betrieb genommen werden, bis Ende 2018 sollen alle geplanten acht Turbinen laufen.
Der Mekong-Fluss durchquert und schneidet die Länder China, Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam und ist mit über 4.000 Kilometer Länge einer der weltweit längsten Flüsse, an dem Millionen von Menschen leben, deren Nahrungsmittelsouveränität zu einem Großteil von Fisch abhängt. Gleichzeitig gilt das Mekong-Becken aktuell als einer der weltweit größten Hot Spots des Staudammbusinesses.