Von Christian Russau
Indien und Pakistan verschärfen ihre Konkurrenz im Bauwettstreit ihrer direkt zueinander in Konkurrenz stehenden Wasserkraftwerke Neelum-Jhelum und Kishenganga. Während Pakistan gerade mitteilte, die 51,5 Kilometer langen Wassertunnel seines 969-Megawatt-Wasserkraftwerk Neelum-Jhelum nun erstmals unter Wasserdruck zu setzen, musste Indien die eigentlich bis Ende 2017 angekündigte Fertigstellung des 330-Megawatt Kishenganga-Wasserkraftwerks wegen der in Kaschmir weiterhin angespannten Sicherheitslage verschieben. Beide Wasserkraftwerke stehen somit kurz vor Fertigstellung – und genau dies könnte zu einem schwerwiegenden Problem werden.
Denn diese beiden Wasserkraftwerke betreffen die Zuflüsse des Neelum, wie er in Pakistan heißt, oder Kishenganga, wie er in Indien genannt wird. An den zwischen Indien und Pakistan umstrittenen Flüssen wie Neelum bzw. Kishenganga und dem Chenab bauen und planen beide Seiten den massiven Ausbau der Wasserkraftnutzung und bedrohen damit immer wieder den 1960 unter Aufsicht der Weltbank geschlossenen Indus Waters Treaty. Dieser bot einen vertraglich abgesicherten Rahmen, der die Nutzung des Wassers der Flüsse Indus, Chenab, Jhelum, Sutlej, Ravi und Beas genauestens regelte und die Streitschlichtungsmechanismen definierte. Der Indus Water Treaty sprach dabei Indien die weitestgehende, aber nicht ausschließliche Entscheidungshoheit über das Wasser der drei östlicher gelegenen Flüsse, Beas, Ravi und Sutlej, zu, während Pakistan die Wassernutzungshoheit über die eher westlich gelegenen Flüsse, Indus, Chenab und Jhelum, zugesprochen bekam. Bei der gerechten Verteiling der nutzbaren Wassermengen gibt es immer wieder Streit zwischen Indien und Pakistan. Wasserentnahme zur Bewässerung von Landwirtschaft sowie Wasserkraftprojekte sind ein wiederkehrendes Streitmoment zwischen Pakistan und Indien.
Laut dem Indus Water Treaty, wie beide Seiten den Vertrag auslegen, könnte die Rechtslage im Falle der zwei an den Neelum/Kishenganga-Zuflüssen gelegenen Wasserkraftprojekten Neelum-Jhelum und Kishenganga so aussehen, dass diejenige Seite, die zuerst mit ihrem Wasserkraftwerk fertig werde, prioritäre Rechte über den Wasserzufluss habe. Hier wird die Weltbank schnell eine Vermittlungslösung finden müssen. Nicht umsonst zeigte sich das Umweltentwicklungsprogramm UNDP im Februar 2017 sehr besorgt über die Entwicklung des Wasserkonfliktes zwischen Indien und Pakistan und wartnte in einem offiziellen Bericht: Der „Indus Water Treaty may not survive“.
„Wasser ist einer der Schlüsselkonflikte zwischen Indien und Pakistan“, erklärte 2011 Zubair Ahmad Dar von der Harvard Law and International Development Society. „Tatsächlich ist es sogar das grundlegendste aller Interessen in den verschiedenen Posititionen beider Länder in Bezug auf Jammu und Kashmir.“