GegenStrömung dokumentiert die deutschsprachige Übersetzung der Rede von Joceli Andrioli von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB) auf der Jahreshauptversammlung der Deutsche Bank am 24. Mai 2018 in Frankfurt
– ES GILT DAS GESPROCHENE WORT –
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Joceli Andrioli. Ich bin von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB). Unsere Bewegung setzt sich für die Rechte derjenigen ein, die für den Bau von großen Energie- und Staudammprojekten vertrieben oder zwangsumgesiedelt werden oder deren Menschenrechte aufgrund von Dammbrüchen verletzt wurden.
Warum bin ich aus Brasilien hierher – zur Hauptversammlungversammlung der Deutschen Bank – gereist? Es geht um die Verbindung der Deutschen Bank mit den Bergbaukonzernen Vale und BHP Billiton: zwischen 2010 und 2017 stellte die Deutsche Bank der brasilianischen Vale 701 Mio. Euro und der anglo-australischen BHP Billiton 622 Mio. Euro an Krediten und Anleihen zur Verfügung. Außerdem hält die Deutsche Bank Aktien an den beiden Unternehmen.
Die beiden Kreditnehmer der Deutschen Bank, Vale und BHP Billiton, sind Eigentümer der Firma Samarco, die für das größte Bergwerksunglück aller Zeiten verantwortlich ist. Am 5. November 2015 brach der Damm eines Rückhaltebeckens für Minenschlämme der Firma Samarco und zerstörte das Flusstal des 580 km langen Rio Doce. 19 Personen starben, mehr als eine Million Menschen sind betroffen – sei es, , dass die riesige Schlammwelle ihre Häuser oder ihr Land unter sich begraben hat, sei es, dass ihr Trinkwasser mit Schwermetallen verseucht ist, sei es, dass sie ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage als Landarbeiter oder Fischer verloren haben oder dass sie von den giftigen Schlämmen aus dem Bergbaurückhaltebecken krank geworden sind. Es war eine Katastrophe mit Ansage – schon 6 Monate vor dem Dammbruch war dem Unternehmen Samarco bekannt, dass der Damm brechen könnte und dass die Folgen verheerend sein würden. Doch das Unternehmen hat nichts getan, um die Katastrophe zu verhindern.
In den zweieinhalb Jahren seit dem Dammbruch wurden mehrere Beschwerden bei der Arbeitsgruppe „Wirtschaft und Menschenrechte“ der Vereinten Nationen eingereicht. Dennoch waren die verantwortlichen Firmen – die Ihre Bank, die Deutsche Bank – weiterhin mit großzügigen Krediten bedient – noch nicht einmal in der Lage, in diesen zweieinhalb Jahren die genaue Zahl der betroffenen Menschen zu ermitteln – von der Zahlung einer angemessenen Entschädigung und umfassenden Wiedergutmachung, wie es internationale Menschenrechtsstandards vorschreiben, ganz zu schweigen.
Es gibt Dutzende Kinder, bei denen Arsenwerte im Körper nachgewiesen wurden, die zum Teil um das Hundertfache über den zulässigen Höchstwerten der Weltgesundheitsorganisation liegen. Diese Kinder waren über einen langen Zeitraum dem toxischen Schlamm ausgesetzt. Es gibt jedoch seitens der verantwortlichen Firmen keinerlei Maßnahmen, um die bedrohliche Gesundheitssituation zu untersuchen oder gar die De-Kontamination von Boden und Wasser zu gewährleisten.
Die Menschen, die ihre Häuser und Dörfer unter den Schlammmassen verloren haben, sind bis heute nicht umgesiedelt worden. Bei Demonstrationen und Protesten der betroffenen Bevölkerung, die sich gegen das Gebaren der Firma richten, wird die Militärpolizei eingesetzt, um die Proteste zu unterdrücken.
Ein Entschädigungsprogramms, das von der brasilianischen Justiz als illegal erklärt worden war, wird trotz seiner zahlreichen Defizite fortgesetzt.
Die Deutsche Bank hat der Firma Vale auch nach dem Dammbruch noch Kredite gewährt, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon verschiedene Beschwerden gegen die Firma Samarco bei den Vereinten Nationen und bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission eingereicht worden waren.
Der Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’aad Al Hussein, hat betont, welch wichtige Rolle internationale Finanzinstitute in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte haben. Demnach müsste die Deutsche Bank ihre Anlage- und Kreditpolitik einer genauen Überprüfung unterziehen, um sicherzustellen, dass Menschenrechtsklauseln greifen und dass effiziente interne Mechanismen geschaffen werden, die eine vorherige Identifizierung möglicher menschenrechtlicher Risiken ermöglichen. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Samarco – mit Mitteln der Vale – den Betrieb wieder aufnimmt, ohne irgendeine Garantie, dass sich so etwas wie der Dammbruch nicht wiederholt und ohne dass zuvor die Betroffenen vollständig entschädigt wurden?
Ich frage Sie:
Werden Sie Kredite, die Sie den Firmen Vale und BHP Billiton zur Verfügung stellen, und die Aktienanteile, die Sie an den Firmen Vale und BHP Billtion halten, einer grundsätzlichen, menschenrechtlichen Überprüfung unterziehen?
Werden Sie zukünftige Finanzierungszusagen an Vale oder BHP Billiton an die Bedingungen knüpfen, dass die Opfer des Dammbruchs entschädigt und die Umweltschäden beseitigt werden?
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
// Übersetzung: Christian Russau