Vertiefte Studie bestätigt Erkenntnisse der verausgegangen Studie vom vergangenen Jahr
Von Christian Russau
GegenStrömung hatte über die Arbeiten der Umweltwissenschaftlerin Suman Jumani zu Kleinwasserkraftprojekten in Indien bereits im vergangenen Jahr berichtet (siehe „Wütende Elephanten, sterbende Fische und ausgedorrte Äcker dank „Small is beautiful““) In den vergangenen Monaten wurde die Studie fortgeführt und die Ergebnisse sind – vor allem für alle diejenigen, die der Ansicht sind, Kleinwasserkraftwerke seien wesentlich harmloser als Großwasserkraftwerke – mehr als ernüchternd. Vor allem vor dem Hintergrund, dass „in Indien bereits mehr als 1.000 Kleinwasserkraftwerke errichtet wurden und weitere 6.474 potentielle Baustellen für weitere Kleinwasserkraftwerke identifiziert wurden“, erklärte Jumani den Journalisten von IndiaSpend.
Kleinwasserkraftprojekte werden meist als umweltfreundliche Alternativen zu größeren Staudämmen gefördert und als „harmlos“ wegen ihrer geringen Größe propagiert. Die Auswirkungen von Kleinwasserkraftprojekten wurden jedoch bislang nur unzureichend untersucht, insbesondere in tropischen Entwicklungsländern, wo derzeit ihr Wachstum überproportional gefördert wird, so Jumani. Die Wissenschaftlerin untersuchte die Auswirkungen von zwei Kleinwasserkraftwerken auf Süßwasserfischgemeinschaften im Biodiversitäts-Hotspot von Western Ghats in Indien. Zwei gestaute und ein ungedämmter Nebenfluss des Netravathi-Flusses mit ähnlicher Stromordnung, Höhenlage und umgebenden Landnutzungstypen wurden als Test- bzw. Kontrollorte identifiziert. Die Wissenschaftlerin stellte fest, dass die Kleinwasserkraftprojekte Strömungsänderungen hervorriefen, die die Breite und Tiefe des Stroms nachhaltig beeinflusste. Als weitere Folge nahm die Menge an Sedimenten ab, die Wassertemperatur nahm zu und der im Wasser vorhandene Sauerstoff ging deutlich zurück. Dadurch variierte die Zusammensetzung der Fischarten. An den Staubecken fand sich geringerer Fischartenreichtum, die Biodiversität ging messbar zurück. Analysen der im Fluss vorhandenen Biodiversität zeigte, dass der Fischartenreichtum in gestauten Strömen mit der Entfernung vom Staudamm in der stromaufwärts gelegenen Richtung zunahm. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Kleinwasserkraftwerke besonders in der Trockenzeit gravierende Auswirkungen auf die Stromgeometrie, Wasserchemie und aquatische Lebensgemeinschaften haben.
Die Wissenschaftlerin Jumani rät angesichts des geplanten dramatischen Ausbaus von Kleinwasserkraftwerken vor allem in Indien daher dringend zu grundlegenden Verfahrensänderungen bei den Genehmigungsverfahren für Kleinwasserkraftwerke, um die Vielfalt der Flussfische zu erhalten. Dazu gehören obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie weitere umfangreiche Umweltsicherungsmaßnahmen, die zur Vermeidung der massiven Negativfolgen der vermeintlich harmloseren Kleinwasserkraftwerke beitragen könnten.
Es gibt keine international gültige Definition eines „Kleinwasserkraftwerks“. Was als Kleinwasserkraftwerk zählt, variiert von Fall zu Fall. Laut der International Commission on Large Dams sind alle Staumauern ab 15 Metern Höhe vom Fundament bis zur Krone oder von 5 bis 15 Metern mit einem Reservoir von mehr als drei Millionen Kubikmetern Großstaudämme. In vielen Ländern wird dagegen eine Megawattzahl zur Klassifizierung herangezogen: In der Regel werden demnach Kraftwerke bis zehn MW Nominalkapazität als Kleinwasserkraftwerke angesehen, von zehn bis 30 MW gelten sie als mittelgroße Kraftwerke. Länder mit besonders hohem Wasserkraftpotenzial wie Brasilien und China betrachten dagegen alle Kraftwerke bis 30 MW als „klein“, wie dem Handbuch Kleinwasserkraftwerke des Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK / Bundesamt für Energie BFE: Handbuch Kleinwasserkraftwerke. Informationen für Planung, Bau und Betrieb, Ausgabe 2011 entnommen werden kann. In Indien gelten Kleinwasserkraftwerke als „klein“, solange sie unter 25MW Größe haben.
Was als „kein“ definiert“, soll dergestalt schnell als „harmlos“ gelten. So wird z. B. auch das Agua-Zarca-Projekt in Honduras immer wieder als harmlos klingendes „Kleinwasserkraftwerk“ dargestellt. Auch bei Small Hydro ist also Vorsicht geboten: sie ist weder per se umweltfreundlich noch menschenrechtskonform.