Zivilgesellschaftliche Organisationen verweisen auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Zusammenhang mit Wasserkraftwerken
Paris[15.05.19]. Eine breite Koalition von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen protestierte friedlich gegen zerstörerische Staudammprojekte während der Eröffnung des Weltwasserkraftkongresses in Paris. Nach dem Protest versuchte eine Delegation des Munduruku-Volkes aus dem brasilianischen Amazonas einen Brief an die Zentrale des französischen Energieriesen EDF zu übergeben, da sie an zerstörerischen Staudammprojekten im Amazonasgebiet beteiligt sind, wurden aber nicht von Unternehmensvertretern empfangen.
Am Dienstag (14.05.) eröffnete in Paris der alle zwei Jahre stattfindende World Hydropower Congress, den die International Hydropower Association (IHA) organisiert. Die Interessenvertretung der Staudammindustrie nutzt die bis zum 16. Mai stattfindende Veranstaltung, um Staudämme als saubere und erneuerbare Energiequelle zu präsentieren, die für die Umsetzung des Pariser Abkommens zum Klimaschutz sowie zum Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDG) unerlässlich ist.
Eine breite Koalition von Umwelt- und Menschenrechts-NGOs und sozialen Bewegungen bezeichnen diese Darstellung Behauptungen der Staudammindustrie als Greenwashing-Kampagne. Sie verweisen auf zahlreiche Fälle, in denen Wasserkraftprojekte verheerende Folgen für Mensch und Umwelt hatten. Zwischen 40 und 80 Millionen Menschen wurden für Staudämme umgesiedelt, über 500 Millionen wurden von den weitergehenden Auswirkungen negativ betroffen. In den meisten Fällen waren die Entschädigungen unzureichend oder nicht vorhanden, was die Menschen in die Armut stürzte. Der Beitrag der Wasserkraftprojekten zum Klimaschutz wird ebenfalls angefochten, da Staudämme eine wichtige Quelle für Treibhausgase wie Methan sind.
Diese und andere Fragen, diskutierten Wissenschaftlern*innen, Aktiviste*innen und Vertretern*innen von betroffenen Gemeinschaften aus Brasilien, Kolumbien, Myanmar und der Türkei auf einer Parallelveranstaltung zum IHA-Kongress im Rathaus des 6. Arrondissements von Paris am 13. Mai. Eine gemeinsame Erklärung gegen die darstellung der IHA wurde bei dieser Veranstaltung veröffentlicht, die von den NGOs Planète Amazone, GegenStrömung, Rivers without Boundaries, International Rivers und AIDA organisiert wurde. Die Erklärung ist in fünf Sprachen verfügbar und wurde von über 250 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus über 70 Ländern unterzeichnet.
Am 14. Mai, während der Eröffnung des Weltwasserkraftkongresses in Paris, protestierten Vertreter*innen indigener Gemeinschaften, soziale Bewegungen und NGOs zusammen mit Umweltaktivist*innen der Organisation „Extinction Rebellion“ vor dem Espace Grande Arche in La Defense und konfrontierten Vertreter der Staudammindustrie mit den negativen Auswirkungen der Wasserkraft.
Die Proteste thematisierten auch die wachsende Gewalt und Repression gegen lokale Gemeinden, die mit Wasserkraftprojekten oft einhergehen. „Die Straflosigkeit im Zusammenhang mit solchen Verbrechen besorgt uns. Zum Beispiel verschwand Miguel Ángel Pabón Pabón mutmaßlich wegen seines Aktivismus gegen den Hidrosogamoso-Staudamm in Kolumbien. Trotz dieser Gewalt wurde das Projekt fortgesetzt“, sagte Juan Pablo Soler von der Bewegung Ríos Vívos Kolumbien.
„Die geplante Staudammprojekte am Irrawaddy-Fluss würden wichtige Reisanbauflächen am Flussufer und im Deltagebiet stören und so die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen gefährden“, sagte Myint Zaw, Aktivist und Forscher aus Myanmar, der mit dem Goldman-Preis 2015 ausgezeichnet wurde.
In Gabun beeinträchtigen die Staudämme Kingélé und Tchimbélé die Bevölkerung in der Nähe von Flüssen. „Bei starken Regenfällen werden einige Dörfer überflutet, wenn die Stauseen überlaufen. Flüsse werden zu Seen, das Wasser verschmutzt und Fische sterben darin. Es gibt keine von der Regierung, weshalb wir uns an das Ausland wenden“, sagte Assossa, Vertreter von Pigmäen-Gemeinschaften aus Gabun.
Drei Vertreter des Munduruku-Volkes im brasilianischen Amazonasgebiet, Chief Arnaldo Kabá, Alessandra Korap und Candido Waro Munduruku, nahmen an der Parallelkonferenz und dem Protest gegen die Eröffnung des Wasserkraftkongresses teil. Nach den Protesten versuchten sie, am Hauptsitz von Électricité de France – EDF, das mehrheitlich von der französischen Regierung kontrolliert wird, einen Protestbrief vorzulegen. EDF ist an dem umstrittenen Sinop-Staudammprojekt am Teles Pires River im brasilianischen Amazonasgebiet beteiligt und gehört zur „Tapajós Studies Group“, die Machbarkeitsstudien für den Wasserkraftprojekte in dieser Region vornimmt. Diese Projekte würden das Sawre Muybu, ein Territorium der indigenen Munduruku, überfluten. EDF weigerte sich mit den Vertretern von Munduruku zu sprechen. „Die EDF dringt einfach in unser Territorium ein und zerstört es zu zerstören, aber wenn wir hierher kommen, um diesen riesigen Unternehmen einen Protestbrief zu geben, werden wir nicht einmal angehört. Wir sind traurig, aber wir sind entschlossen, unseren Kampf zur Verteidigung unseres Territoriums fortzusetzen“, sagte Alessandra Munduruku.
Kontakt:
Gert-Peter Bruch (Planète Amazone) : + 33 (0)7 81 23 92 91 – com@planeteamazone.org, (Französisch, Englisch)
Brent Millikan (International Rivers) : +55 61 8153-7009 – brent@internationalrivers.org, (English, Portuguese)
Thilo F. Papacek (GegenStrömung – CounterCurrent / Forum Umwelt und Entwicklung), ++49 151 412 145 19, thilo.papacek@gegenstroemung.org, (Deutsch, Portuguiesisch, Spanisch, Englisch)
Eugene Simonov (Rivers without Boundaries) +79 (0) 165 491 22, esimonovster@gmail.com (Russisch, Englisch, Chinesisch)
Weitere Informationen zur Veranstaltung am 13 Mai.:
https://www.facebook.com/events/307566033499934/
Die gemeinsame Erklärung kann auf Chinesisch, Englisch, Portugiesisch, Russian and Spanish kann hier heruntergeladen werden.
Link zum Protestbrief der Munduruku an EDF.
Pressefotos vom Protest können zur freien Verfügung hier heruntergeladen werden, Bedingung ist, dass der Autor, Todd Southgate, genannt wird.
Ein Video der Proteste und der Abweisung der Munduruku Delegation von EDF kann hier heruntergeladen werden.
Link zum Factsheet „No Simple Solution – Hydropower and the Sustainable Development Goals“ von GegenStrömung.
Kurzlink zu dieser Pressemitteilung: https://t1p.de/75xl