„Upstream“-Dämme im Bergbau dürfen in Brasilien doch länger in Betrieb sein. Industrie fährt einen weiteren Sieg ein. Natur und Umwelt und Mensch sind dieser Regierung egal.
Groß war der Aufschrei nach dem Bruch des Dammes des Rückhaltebeckens
der Vale-Eisenerzmine der Mine Córrego do Feijão in der Nähe des Dorfes
Brumadinho im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais am 25. Januar
dieses Jahres. So groß, dass selbst industrie-nahe, erzneoliberale
Politiker*innen öffentlich erklärten, dass nun nach den zwei Brüchen von
Mariana (5. November 2015) und Brumadinho (25. Januar 2019) die
bruchanfälligsten unter den Dammkonstruktionen für Tailings (also
Rückhaltebecken für meist verflüssigte Bergbauabfälle) — die
sogenannten „Upstream“-Dämme künftig nicht mehr zugelassen werden und,
mehr noch, die bestehenden bis 2021 zu deaktivieren und zurückzubauen
seien. Diese Entscheidung, die unter medialem Druck, aber gleichwohl
geschickt öffentlichkeitswirksam von der erzneoliberalen
Bolsonaro-Regierung in Form ihres Umweltministers Salles kurz nach dem
Brumadinho-Bruch verkündet worden war, ist nun gekippt worden. Ist die
mediale Aufmerksamkeit gesunken, einige Zeit verstrichen, dann obsiegt
wieder das industriefreundliche Interesse über den Schutz von Natur und
Mensch.
Die 41 Dämme, die in Minas Gerais im Upstream-Verfahren
gebaut wurden und in Betrieb sind, sollten ursprünglich bis 2021 die
Maximallaufzeit erreicht haben und die Dämme stillgelegt werden. Doch
nun hat die Bundesagentur für Bergbaufragen ANM den Unternehmen bis zu
sechs weitere Jahre Zeit gegeben.
Von den noch im Staat betriebenen Tailing-Speichern dieses Upstream-Typs wurden allein 18 als mit einem hohen Schadenspotenzial behaftet eingestuft, was bedeutet, dass sie im Falle von Unfällen Todesfälle sowie wirtschaftliche, ökologische und soziale Verluste verursachen können. Diese Informationen entstammen dem Nationalkataster für Bergbaudammstrukturen CNBM, berichten Medien.
Bei der neuen Restlaufzeit wird die Größe des Speichers berücksichtigt, so die ANM. Bisher sollten alle „Upstream“-Dämme bis maximal zum 15. August 2021 in Betrieb sein. Nun sollen die Bergbauunternehmen die Arbeiten im September 2022 für Deponien mit bis zu 12 Millionen Kubikmetern Haldenvermögen, im August 2025 für bis zu 30 Millionen Kubikmeter große Anlagen und bis August 2027 für Bauten mit mehr als 30 Millionen Kubikmeter Füllmasse an Bergbauschlämmen abschließen.
Viele Dämme (tailings) von Bergwerksdeponien werden nach dem Upstream-Verfahren gebaut, denn dieses ist das bei weitem kostengünstigste, aber eben auch das bruchanfälligste aller Tailingdammsysteme. Dann gibt es noch das Center-Verfahren und das Downstream-Verfahren. Das letzte, das Downstream-Verfahren, ist das teuerste, aber es ist das sicherste aller Tailing-Dammbau-Verfahren. Zur Erinnerung: die Statistik zu Dammbrüchen sagt, dass Tailingbrüche, also Brüche von Dämmen von Bergwerksdeponien, statistisch um den Faktor 10 häufiger brechen als Wasserkraftstaudämme (weswegen interessanterweise die International Commission on Large Dams (ICOLD) in ihrem 58.000 Staudämme umfassenden Register keine Dämme von Bergwerksdeponien aufnehmen mag, weil die ja dann die Statistik der Dammbrüche so verheerend aussehen lassen würden). Beim „Upstream“-Verfahren wird ein Damm errichtet, hinter diesen der Bergwerksschlamm gelagert, ist dieser dann nach einigen Jahren getrocknet, wird auf den Damm und einen Teil des dann (hoffentlich genügend) ausgetrockneten Materials ein neuer Damm errichtet, der dann wieder eine Schicht Schlamm aufnimmt. Dieser Prozess kann bis zu zehn Mal wiederholt werden, so dass es zu mehreren hundert Meter hohen Dammkonstruktionen kommen kann. Beim Center-Verfahren wird die Aufstockung jeweils auf dem Dammbereich vorgenommen, beim „Down-Stream“-Verfahren wird bergab die Dammerweiterung vorgenommen. „Upstream“-Dämme sind in Lateinamerika beispielsweise in Chile schon längst verboten.