Nach mehreren Jahren heißer Kontroverse zwischen Staudammbefürworter:innen (Staudammfirmen, die ihren Strom weiter gewinnbringend verkaufen wollen; Farmer:innen, die ihren Weizen per Schiff über den per Dämme schiffbar gemachten Snake-River transportieren wollen und die Wasser aus den Staudammreservoirs zur Bewässerung der Landwirtschaft entnehmen) und Staudammgegner:innen (die indigenen First Nationas der Walla Walla, die sich wie die Umweltschützer:innen um den Lachs sorgen und die ihre angestammten Rechte durch die Staudämme seit Jahrzehnten verletzt sehen; Wildwassersportler:innen wie auch Angler:innen) haben die US-amerikanischen Bundesbehörden eine Entscheidung getroffen, wie die im Columbia River System Operation zusammen agierende Bonneville Power Administration (kurz BPA), der U.S. Army Corps of Engineers und das Bureau of Reclamation in ihrer Entscheidung mitteilten. Entgegen der 2016 von einem Bundesrichter beschlossenen Ansage (insgesamt die fünfte richterliche Entscheidung, die Dämme zurückzubauen oder zumindest umzubauen, um es den Fischen wieder zu ermöglichen, frei zu migrieren), die vier äußerst kontroversen Staudämme am Snake River zurückzubauen oder zumindest nachhaltig so umzubauen, dass der traditionelle Fischzug der Chinook-Lachse und des Steelhead wieder gewährleistet wird, haben nun Bundesbehörden entschieden, die Dämme am Snake-River zu belassen. Einziges Zugeständnis war, dass es im Frühjahr zu mehr gezielten Überlaufmomenten kommen solle, um den migrierenden Lachsen mehr natürliches Habitat zu bieten.
Seit dem Urteil des Bundesrichter im Jahr 2016 hatte es vier Jahre an Verhandlungen und öffentlichen Anhörungen gegeben, insgesamt wurden 59.000 Eingaben gemacht. Nun entschied die Bundesbehörde für die Interessen der wirtschaftsstarken Lobby aus Stromproduzenten und Agrarbusiness und gegen die der Staudammgegner:innen.
Don Sampson ist Anführer der indigenen Walla Walla und Sprecher der unlängst gegründeten Northwest Tribal Salmon Alliance. Er sagt, der jetzt vorgestellte Plan der Bundesbehörden sei unzureichend. „Das kommt nicht einmal annäherungsweise in die Richtung, die Anforderungen, die der Staat hat, den Lachs wieder angemessen anzusiedeln, hier im Nordwesten. Und es kommt nicht annähernd dem entgegen, was die Gemeinschaften fordern, die von diesem Lachs abhängen“, so Sampson. „Und es ist weit, sehr weit von dem entfernt, was die Vereinigten Staaten für Verpflichtungen eingegangen waren in den Verträgen mit den First Nations“. Indigene Land- und Nutzungsrechte würden in diesem Fall wieder einmal ad absurdum geführt.
Die Staudammgegner:innen erklärten, sie würden weiter gegen die umstrittenen Staudämme am Snake River kämpfen.
Zum Hintergrund:
Im Flusseinzugsgebiet der drei US-amerikanischen Bundesstaaten Washington, Oregon und Idaho prallen die unterschiedlichen Interessen von First Nations, Umweltschützer:innen auf der einen Seite und Weizenfarmer:innen und Transportschifferei auf der anderen Seite aufeinander. Während in Seattle und Portland Umweltschützer:innen Demonstrationen für den Schutz der Orcas demonstrieren und die traditionell am Snake River lebenden First Nations wegen des seit Jahrezehnten mehr und mehr ausbleibenden Lachses protestieren, mobilisieren in Idaho die Weizenfarmer und Transportschiffer:innen die Politik für ihre Interessen. Der Stein des Anstoßes: die insgesamt acht Energie produzierenden Staudämme am unteren Columbia-River und an dem Zufluss des Columbia-Rivers, dem Unteren Snake Fluss. Denn die seit 1975 bestehenden Dämme produzieren zwar nur fünf Prozent des Stroms der im Großraum liegenden Städte, dienen aber gleichzeitig wegen der Schleusen an den Dämmen der Verschiffung des Weizens aus der agrarwirtschaftlich geprägten Region Idahos, hin zu größeren Binnenhäfen und von dort weiter, hin zum Weltmarkt. Die Dämme bilden Reservoirs, aus denen die Farmer:innen regelmässig Wasser entnehmen, um damit ihre Landwirtschaft zu bewässern. Doch die Dämme behindern die natürliche Wanderung der dort angestammten Chinook-Lachse. Beherbergten der Columbia- und der Snake-River dereinst die mit 16 Millionen Lachsen größte Population, sind es heute nur noch 1,1 Millionen Fische. Das hat Folgen für das Ökosystem. Zwar gelangen durch neu angepasste Turbinen mehr Fische als früher flussabwärts, so belegen aber neuere Studien der vergangenen Jahre, dass die Fische dennoch nahezu bei jedem Turbinengang mindestens einen Schlag erhalten. Dennoch überleben mittlerweile die meisten Lachse den Weg durch die Turbinen abwärts, aber flussaufwärts sieht das anders aus. Denn die Barrieren der Dämme sind zu hoch, auch Fischtreppen helfen oftmals nicht weiter, so dass bereits 2016 zum fünften Mal die Staudammbetreiber richterlich dazu verurteilt wurden, mittels Hebekähnen die die Flüsse kurz vor der Laichzeit hochziehenden Lachspopulationen manuell über die Dämme hinwegzuheben, – dies gelingt aber nach wie vor nur in weniger als zwei Prozent der Fälle und verursacht – sehr zum Leidwesen der Staudammbetreiberfirma – Millionenkosten. Wären es zwei Prozent der Lachse, die es dergestalt über die Staudammbarrieren schafften, dann gelte dies unter Wissenschaftler:innen als die zu erreichende Mindestzahl, um die vor Ort existierende Population des Chinook-Lachs zumindest vor dem Aussterben zu retten. Diese Zielzahl wird aber nicht erreicht. Um die Population hingegen gar dauerhaft zu sichern und einen Anstieg der Population zu erreichen, müsste das – regelmässig in der Praxis unterschrittene – Zweiprozentziel deutlich übertroffen werden. Hinzu kommt: Das Reservoir in dem durch die Staudämme regulierten Flusslauf ist ein meist stehendes, wärmeres Gewässer – und kein lebendig fließendes und daher deutlich kühleres Gewässer. Dadurch breiten sich dort vermehrt natürliche Fressfeinde des Chinook-Lachses aus, was die Population weiter reduziert. 2018 wurde zudem bei den infolge des Klimawandels erhöhten Wassertemperaturen der stehenden Reservoirgewässer eine weitere deutliche Bedrohung des Chinook-Bestandes festgestellt. Wissenschaftler:innen fordern seit Langem, dass mehr Wasser durch die Überlaufkanäle der Dämme abgeleitet werden solle, um so die Gefahr für die Chinook durch Turbinenrotorschlag zu vermindern und um das Wasser der Flüsse wilder und damit auch kühler zu machen. Doch noch mehr Wasser über die Überlaufkanäle, das ist den Staudammbetreibern ein Dorn im Auge, wollen sie doch möglichst viel Wasser zur Stromproduktion durch ihre Turbinen jagen. Niedrigwasser ist auch bei der Transportschifferei und den Weizenfarmer:innen nicht sonderlich beliebt. Der deutliche Rückgang des Chinook hat zudem aber auch flussabwärts, in einem ganz anderen Habitat, dramatische Folgen. Und zwar für die Meeresfauna im Pazifik. Dies wurde im Sommer 2018 auch den letzten die Medien verfolgenden Bürger:innen klar, als über mehrere Tage Livebilder in regionalen Fernsehen und sozialen Medien gezeigt wurden, auf denen eine Orca-Walmutter über mehrere Tage ihr junges, aber bereits totes Kalb im Wasser bewachte. Das Kalb war infolge des Fressmangels der Mutter verhungert. Denn eine der Hauptnahrungsquellen der Orcas vor der Mündung des Columbia-Rivers sind die Chinook-Lachse, denen die Orcas zu dieser Jahreszeit, kurz vor dem Flussaufwärtsschwarm der Lachse, folgen. Je weniger Chinook, desto weniger haben die Orcas in der Region eine Überlebenschance. Daher gibt es die deutliche Forderung von First Nations und von Umweltschützer:innen, die Dämme zurückzubauen und den Columbia- und den Snake-River wieder zu einem frei fließenden Flusssystem zu machen. Damit sind aber die Weizenfarmer:innen und Transportschiffer:innen nicht einverstanden, wollen sie doch ungehindert aus dem als Seehafen geeigneten Verladenhafen Lewiston im Bundesstaat Idaho, 465 Meilen, also 748 Kilometer vom Pazifik entfernt, weiterhin ihren Weizen in alle Welt exportieren. Und die Staudammbetreiberfirma BPA will auch lieber weiterhin ihren Strom verkaufen. Dabei liefern mittlerweile neuesten Erhebungen zufolge Solaranlagen in Kalifornien, die gekoppelt sind mit Speicherbatterien, billigeren Strom als die Wasserkraft vom Columbia- und Snake-River. Doch BPA kann derzeit ihren Strom an die Großabnehmer noch teurer verkaufen, weil die Alt-Verträge noch höhere Preise garantieren als die neuen billigeren Solaranlagen. Doch diese Alt-Verträge enden 2028. So kämpft seit Jahren im Dreiländereck eine neue Allianz aus Umweltschützerinnen, Wissenschaftlerinnen und kritischer Öffentlichkeit, die fordetn, jetzt endlich mit dem Plan für den Rückbau der Dämme zu beginnen. Die Wissenschaftlerinnen wiesen in Bezug auf die Besorgnisse der Weizenfarmerinnen auf den ohnehin massiven Anstieg des Weizentransports per Bahn hin und die Bewässerung für die Farmer:innen reiche auch an einer weiter oben gelegeneren Stelle des Snake-Rivers.
Nun haben die Bundesbehörden entschieden. Erstmal. Aber die Gegner:innen der Staudämme haben noch nicht aufgegeben. Sie kämpfen weiter. Damit der Columbia- und der Snake-River wieder frei fließen, damit der Chinook und der Steelhead wieder ungehindert wandern.