Klage gegen FUNAI wegen Nicht-Beachtung indigener Territorien bei Umweltfolgenstudie für geplantes Wasserkraftwerk Tabajara in Rondônia. Auch in freiwilliger Isolation lebende Indigenen gefährdet.
Von Christian Russau
Die Bundesstaatsanwaltschaft MPF hat eine öffentliche Zivilklage gegen die brasilianische Indigenenbehörde FUNAI eingereicht, um diese zu einer umfassenderen Analyse der Folgenabschätzung bezüglich des geplanten Bau des Wasserkraftwerks Tabajara am Ji-Paraná-Fluss, auch vereinzelt Machado-Fluss genannt, im amazonischen Bundesstaat Rondônia zu zwingen. Dies berichtet die Bundesstaatsanwaltschaft auf ihrer Internetseite.
Der Ji-Paraná-Fluss mündet in den Rio Madeira und streift mehrere indigene Territorien in der Region. Zudem gibt es in seinem Einzugsgebiet in freiwilliger Isolation lebende indigene Völker. Die Bundesstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Bau des 400 MW große Wasserkraftwerks samt eines Staureservoirs von 96 Quadratkilomenter Größe schwerwiegende Auswirkungen auf indigene Territorien haben werde, in der Umweltverträglichkeitsstudie werde aber nur das Gebiet der Terra Indígena von Tenharim Marmelos in Betracht gezogen und analysiert. Der Bundesstaatsanwaltschaft zufolge sollten die Studien aber auch in den indigenen Gebieten Jiahui, Tenharim Rio Sepoti, Tenharim do Igarapé Preto, Pirahã, Ipixuna, Nove de Janeiro und Igarapé Lourdes durchgeführt werden. Die Klage der Bundesstaatsanwaltschaft zielt auf die Indigenenbehörde FUNAI ab, da diese in Stellungnahmen solche umfassenden Studien gegenüber den anderen den Bau forcierenden Behörden und den Bauherren gegenüber hätte verlangen müssen. Die Bundesstaatsanwaltschaft wirft ihr fahrlässige Unterlassung und mithin Nicht-Erfüllung ihres verfassungsgemäßen Auftrages vor.
Die Zivilklage der Bundesstaatsanwaltschaft soll erreichen, dass die derzeitige spezifische Aufgabenstellung der Umweltfolgenstudie – in der die Auswirkungen des Kraftwerks auf das indigene Land Tenharim Marmelos aufgeführt sind – annulliert und ganz neu erstellt wird, weil sie die anderen indigenen Gemeinden im gleichen geographischen Gebiet ausschließt und die Existenz von isolierten indigenen Völkern ignoriert, die sich in Gebieten in der Nähe des zukünftigen Stausees bewegen. Die Bundesstaatsanwaltschaft moniert zudem, dass die FUNAI auch die vorherigen Berichte der Staatsanwaltschaft sowie die Empfehlung aus dem Jahre 2018, die an Funai, Ibama und Eletronorte weitergeleitet wurde, bisher ignoriert habe.
Die Bundesstaatsanwaltschaft weist in der Klage darauf hin, dass die durch Wasserkraftwerke verursachten Umweltprobleme sich auch jenseits der direkt angrenzenden direkten Einflusszone zeigen würden und sich die Auswirkungen eines Wasserkraftwerkbaus einschließlich eines Staureservoirs dieser Größe auch auf weitere Entfernungen sichtbar machten. Die Auswirkungen, die auf indigene Gemeinden entstehen, seien, so die Bundesstaatsanwaltschaft, nur nach spezifischen Studien identifizierbar und können nicht auf den vorgeschlagenen 40 Kilometer Radius begrenzt werden.
Zudem seien die in freiwilliger Isolation lebenden Indigenen der Region durch den Bau äußerst gefährdet und eine detaillierte Untersuchung der möglichen Auswirkungen durch die Installation des Kraftwerks auf ihr Wohngebiet sei deswegen von äußerster Relevanz, so die Bundesstaatsanwaltschaft. Laut MPF „sind diese Gruppen auf ein ökologisch ausgeglichenes Territorium angewiesen und verlangen eine gewisse territoriale Wesentlichkeit als Voraussetzung für das Leben und die physische Reproduktion“. Hinzu komme die Gefährdung der Indigenen durch die Anwesenheit von Arbeiter:innen, die der Bau der Anlage mit sich bringt, vor allem bestünde die Gefahr, die isoliert lebenden Individuen oder Gruppen von Indigenen mit Viren zu kontaminieren, was zum Tod oder sogar zur Auslöschung der Gruppe führen kann. Die Bundesstaatsanwaltschaft spricht deshalb in ihrer Erklärung auch ausdrücklich von der Gefahr eines Ethnozids. Trotz alledem, so die Bundesstaatsanwaltschaft, blieb die FUNAI untätig und „verlangte keine Studien über die Auswirkungen des Vorhabens auf diese Gruppen.“ Was die Umweltbehörde Ibama betrifft, möchte die Bundesstaatsanwaltschaft erreichen, dass eine Studie über die alle traditionellen Gruppen betreffende Komponenten durchgeführt werde und dass öffentliche Anhörungen und Fortschritte in Bezug auf das Projekt nicht vor dem Abschluss der Studien, sondern erst danach stattfinden sollten. Die Bundesstaatsanwaltschaft wirft der FUNAI vor, ihrer „Aufgabe, auf transparente und unparteiische Weise die Beteiligung indigener Völker und traditioneller Gemeinschaften am Prozess der Datenerfassung und der Diskussion von Fragen bezüglich der Lizenzierung von Unternehmen, die Auswirkungen auf diese Gebiete haben können, zu fördern“, im Fall des geplanten Baus des Wasserkraftwerkes Tabajara nicht nachgekommen zu sein.