Nach jahrzehntelangen Verhandlungen soll nächstes Jahr im hohen Norden Kaliforniens das größte Staudammprojekt in der Geschichte der Vereinigten Staaten beginnen. Der erste von vier veralteten Dämmen am Klamath River soll im Herbst 2023 fallen. GegenStrömung berichtet mehrfach hier. Zwei weitere in der Nähe und einer jenseits der Staatsgrenze, in Oregon, werden daraufhin folgen. Die Federal Energy Regulatory Commission, die das letzte Wort über die Beseitigung der Dämme hat, veröffentlichte im Februar den Entwurf einer Umweltverträglichkeitserklärung, in der die Vorteile des Vorhabens die Bedenken überwiegen. Eine aktualisierte Umweltverträglichkeitsprüfung der Bundesbehörde wird für September erwartet, und eine definitive Entscheidung darüber, ob der Abbau fortgesetzt werden kann, wird kurz danach fallen.
Der Plan, die Dämme abzureißen, ist das Ergebnis einer mindestens 20 Jahre währenden Debatte darüber, was mit der alten und zunehmend problematischen Infrastruktur des Flusses geschehen soll. Die Dämme, die sich im Besitz des Stromversorgers PacifiCorp befinden, einer Tochtergesellschaft des Milliardärs Warren Buffett (Berkshire Hathaway), müssen seit langem umfassend modernisiert werden, u. a. durch Fischtreppen, die vermutlich mehr kosten, als die Dämme als Wasserkraftwerke wert sind. Deshalb ist der Rückbau letztlich auch vom Besitzer befürwortet worden. Der Rückbau der vier Dämme am Klamath River soll rund eine halbe Milliarde Dollar kosten, die für das gemeinsame Vorhaben von Staat, Stämmen und Unternehmen benötigt wird, ist gesichert. Die Abrisspläne sind ausgearbeitet. Das Bauunternehmen steht fest. Die endgültige Genehmigung könnte bis Dezember erteilt werden. Im Jahr 2020 wurde das diesbezügliche Abkommen zur Finanzierung des Rückbaus beschlossen. PacifiCorp erklärte sich damals bereit, die Lizenz für die vier Dämme an die Bundesstaaten Kalifornien und Oregon sowie an die Klamath River Renewal Corp. zu übertragen. Im Rahmen der Vereinbarung, die auch von den indigenen Völkern der Yurok und Karuk unterzeichnet wurde, verpflichtete sich PacificCorp, 200 Millionen Dollar für die Beseitigung der Dämme bereitzustellen, und würde sich im Wesentlichen von den Anlagen und jeglicher potenzieller Haftung trennen. Der Rest der Finanzierung für den Rückbau stammt aus von den Wählern in Kalifornien genehmigten Wasseranleihen.
Die Federal Energy Regulatory Commission hat die endgültige Entscheidungsbefugnis über den Erhalt oder Rückbau der vier Staudämme am Klamath River. Sie veröffentlichte im Februar den Entwurf einer Umweltverträglichkeitserklärung, in der die Vorteile des Vorhabens die Bedenken überwiegen. Eine aktualisierte Umweltverträglichkeitsprüfung der Bundesbehörde wird für September erwartet, und eine Entscheidung darüber, ob der Abbau fortgesetzt werden kann, wird kurz danach fallen.
Derzeit laufen die letzten Vorbereitungsarbeiten: Wissenschaftler:innen versuchen sicherzustellen, dass die Fische und Wildtiere, die von der Entstehung eines neuen wilden Flusses profitieren sollen, beste Bedingungen vorfinden. Die Entscheidung, die Staudämme zu entfernen, war nicht nur eine finanzielle Entscheidung, sondern wurde auch von denjenigen vorangetrieben, die auf eine Wiederbelebung der Pflanzen- und Tierwelt im Klamath-Becken hoffen. Die Hoffnung ist, dass die einheimische Flora und Fauna in der Region sich wieder erholen werde, wenn die im stehendem Gewässer sich bildenden Algen in den Stauseen an den Dämmen sich vermindern, die Strömung des Flusses schneller wird und sich die Wassertemperatur dadurch abkühlt und die Durchgängigkeit des Flusses weit offen ist. Denn vor allem geht es den Befürworter:innen des Rückbaus um die Fische. „Im Grunde ist dies ein Projekt zur Wiederherstellung der Fischbestände“, so Mike Belchik, leitender Fischereibiologe des Yurok-Volkes gegenüber dem San Francisco Chhronicle, der seit langem den Rückgang der Lachse in seinem angestammten Gebiet im Einzugsgebiet beklagt.
In einem der jüngsten und bedeutendsten Tests, der zeigen soll, wie es den Fischen ergehen könnte, hat ein Team von Wissenschaftler:innen vor kurzem Tausende von Junglachsen in die Flüsse und Bäche flussaufwärts der Dämme entlassen, in Gebiete, in die Fische, die den Klamath hinaufwandern, nicht mehr gelangen konnten, seit die Dämme vor mehr als einem Jahrhundert den Zugang versperrten. Die Forscher verfolgen diese „experimentellen“ Lachse mit dem Ziel, herauszufinden, ob die mehr als 300 Meilen Wasserwege im oberen Klamath-Becken für Fische noch geeignet sind. „Die Landschaft ist heute eine ganz andere als früher“, sagt Mark Hereford, Fischbiologe beim Oregon Department of Fish and Wildlife, der die Studie über die Fischpassage im Gebiet der Klamath Falls in Oregon leitet. „Wir sind uns nicht sicher, wie sich die Fische auf ihrer Wanderung durch das System verhalten werden.
Auf dem Spiel steht nicht weniger als die Zukunft des geschätzten Chinook-Lachses. Einst zählte der Klamath River Hunderttausende von Fischen und war damit die drittgrößte Lachswanderung an der Westküste. Nur die Populationen in den Flüssen Columbia und Sacramento waren noch größer.In den Vergangenheit hat das Yurok-Volk sogar aufgehört, bei seinem jährlichen Klamath-Lachsfest heimischen Lachs zu servieren.
Mit dem nun anstehenden Rückbau wird das Klamath River Flusssystem frei von Dämmen, wieder frei fließend und der Silberlachs (Coho Salmon), dessen Bestand im Fluss durch die unüberwindbaren Dämme um bis zu 95% zurückgegangen war, und der Königslachs (chinook salmon), dessen Bestand dort um bis zu 98% zurückgegangen war, können in Zukunft wieder frei und ungehindert ziehen. Eine der größten technischen Herausforderungen wird nicht der Rückbau des Betons sein, sondern die im Laufe der Jahrzehnte aufgelaufenden Sedimente im Flussbecken, im Reservoir und vor den Talsperren sein. Regen- und schneereiche Winter mit nachfolgenden Frühlingshochwassern würde wohl viele Sedimente von alleine wegtragen. Das Problem: Zuvor müssen die Sedimente auf Giftstoffe untersucht werden, denn niemand weiß, was sich in ihnen im Lauf der Jahre dort angesammelt haben könnte.
Der gleichzeitige Rückbau der vier Dämme am Klamath River wäre der bisher größte Rückbau von Dämmen in den USA auf einmal. Dabei folgt er einem Trend: Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation American Rivers führt ein umfangreiches Register über den Rückbau von Staudämmen in den USA. Laut der Erhebung von American Rivers wurden in den USA seit 1912 insgesamt an die 1.700 Dämme zurückgebaut. Durch den Rückbau entstanden tausende Kilometer frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu auch eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert: https://www.americanrivers.org/threats-solutions/restoring-damaged-rivers/dam-removal-map/