GegenStrömung dokumentiert hier die deutschsprachige Übersetzung des „Brief der Munduruku vom Oberen und Mittleren Tapajós und vom Unteren Teles Pires“ vom 16. September 2022 aus der aldeia Sawre Muybu.
Das Original kann hier eingesehen werden. Wie die Munduruku selbst ihre Konsultation mit dem von ihnen festegelten Protokoll definieren, können Sie hier lesen.
Brief der Munduruku vom Oberen und Mittleren Tapajós und vom Unteren Teles Pires
Wir, Kaziken, Kazikinnen, Krieger, Kriegerinnen, Lehrer, Lehrerinnen, Frauen sowie die Vereinigungen Pariri, Wakoborũn, Aro, Arikico, Da’uk, Movimento Ipereg Ayũ und CIMAT, haben uns am 14. September 2022 in der aldeia Sawre Muybu versammelt, wo wir eine Anhörung organisierten, um die Forschungsergebnisse der Oswaldo-Cruz-Stiftung über den hohen Quecksilbergehalt in unserem Körper und in dem Fisch, den wir täglich essen, zu besprechen. Alles, was wir schon geahnt hatten, die Symptome, haben wir hier gesehen, wir sehen nun das Ergebnis. Wir sind auf der Suche nach einer Lösung. Erstens wollen wir, dass die Garimpo-Bergbauaktivitäten in unserem Gebiet dringend eingestellt werden. Wir beschuldigen die derzeitige Regierung für ihr Versäumnis und die Tatsache, dass sie uns durch die Quecksilberkontamination krank macht.
Garimpo-Bergbau macht nur krank. Neben Quecksilber gibt es in unserer Region auch einen Ausbruch von Malaria, sowie Durchfall, Hunger und juckende Haut. Unsere Flüsse werden zerstört, unsere Bäche sterben ab und unsere Fische sterben aus. Heute trinken wir schmutziges Wasser, unsere Kinder baden in Flüssen, die mit Schlamm verschmutzt sind, und wir fischen in Wasser, das wie Milch aussieht. Wir waren sehr traurig, als wir die Ergebnisse sahen – wer will schon, dass seine Kinder krank sind? Zusätzlich zu den Krankheiten werden unsere Anführer bedroht und haben bereits unter schwerer Gewalt gelitten, ihre Häuser wurden niedergebrannt und der Sitz der Verbände und Widerstandsorganisationen in Jacareacanga wurde zerstört.
Während wir hier versammelt waren, um über die Vergiftungen zu sprechen und um eine Lösung für die Gesundheit unseres Volkes zu finden, erreichten uns Nachrichten, Fotos und Videos eines Treffens, organisiert durch die Associação Pusuru und das in der aldeia Karapanatuba unter Anwesenheit munizipaler Behördenvertreter stattfand, über CO2-Gutschriften. Auf diesem Treffen bot eine Firma der Associação Geld an, Geld, das unsere Verwandten nur täuscht und Spaltung hervorruft. Der Geldkoffer wird angeboten, um in das Territorium zu gelangen. Woher kommt dieses Geld? Wir wissen bereits seit Januar 2022, dass die Firma Carbonext und die Firma Mapel Marochi Agricultura e Pecuária LTDA versuchen, Projekte für CO2-Gutschriften in der Floresta Nacional do Crepori einzuführen. Dieser Ort, den die Regierung als Schutzgebiet bezeichnet hat, ist ein eigentlich traditionell durch das Volk der Munduruku besetztes Gebiet, vor allem durch die 25 Dörfer am Rio das Tropas, wo beide Flussufer benutzt werden. Wir haben die Bundesstaatsanwaltschaft bereits darüber in Kenntnis gesetzt, dass wir via Email von diesen Firmen kontaktiert wurden.
In dem gleichen Gebiet, in der Flona do Crepori, wollen der Serviço Florestal Brasileiro und die ICMBio Flächen an Firmen versteigern, um dort Holz zu entnehmen im Rahmen von Projekten mit Waldnutzungskonzessionen. Wir haben ein Dokument an die Bundestaatsanwaltschaft geschickt, um die zuständigen öffentlichen Stellen und die Gesellschaft davon in Kenntnis zu setzen, dass wir erklären, dass wir gegen diese Projekte sind.
Zunächst sollte jeder wissen, dass die Flona zum Gebiet der Munduruku gehört. Zweitens wissen wir, dass all diese Projekte mit verlogenen Begründungen präsentiert werden. Sie sagen, dass sie für den Schutz des Waldes sind, um illegale Aktivitäten zu stoppen, aber wir wissen, dass diese „Lösungen“, die von außen kommen, unsere Lebensweise und unsere Autonomie, zu denken und das Gebiet zu pflegen, nicht respektieren. Wir brauchen kein Unternehmen, das kommt und die Nutzung unseres Territoriums kontrolliert und uns sagt, wie wir den Wald erhalten sollen. Wir wissen, dass die Unternehmen, die diese „Entschädigungen“ leisten, damit fortfahren wollen, andere Orte zu zerstören, und mit dem Geld machen wollen, was wir seit Tausenden von Jahren immer auf unserem Land gemacht haben.
Diese Firma Mapel Marochi wird repräsentiert durch Leonel B. Marochi. Er ist auch Besitzer der Firma Indussolo, die das Land unserer am Fluss lebenden Alliierten von Montanha und Mangabal stehlen wollte. Jetzt sagen sie, dass ein großes Gebiet der Flona ihnen ebenfalls gehöre. Unsere traditionellen Territorien müssen respektiert werden, genauso wie die der Flussanwohnenden. Warum fragen die Firmen nicht, welche Lösungen wir uns vorstellen, welche wir haben? Wir reden das ganz Jahr darüber, was notwendig ist, um die von uns immer geschützten Länder zu bewahren und die der pariwat [Weiße, nicht-Indigene, Anm.d.Ü.] zu zerstören anfing und selbst die Verwandten zu täuschen vermochte.
Wir haben unsere eigenen Organisatonen und wir machen unseren eignene Austausch mit indigenen Organisationen des ganzen Landes. Unsere Anführenden und Kaziken haben schon von anderen indigenen Völkerb gehört, wie diese Projekte der CO2-Gutschriften Spaltung unter sie gebracht hat. Alles wegen dieses Geldversprechens durch Firmen von außerhalb.
Wir haben bereits unseren Lebensplan, unsere Widerstandsorganisationen und Einkommensalternativen mit traditionellen Produkten, die gestärkt werden müssen. Und all dies durch die Stärkung unserer Autonomie und der Verwaltung des Territoriums und nicht andersherum.
Wir kennen sehr gut unser Recht auf freie, vorherige und informierte Konsultation, we sie in der Konvention 169 der ILO niedergelegt ist. Dieses von der Vereinigung Pusuru durchgeführte Treffen hat keine Grundlage. Genau aus diesem Grund haben wir unser Konsoltationsprotokoll erstellt. Dort steht geschrieben, dass die Konsultation nur mit dem gesamten Volk erfolgen kann, sowohl des Oberen wie des Mittleren Tapajós. Wir bestätigen hiermit, dass Pusuru bereits durch unsere Kaziken angezeigt wurde, da sie pariwat in unser Territorium hineingelassen haben. Purusu ist Daydu, das bedeutet Verräter des Volks. Pusuru kann einen Verein haben, aber sie repräsentieren nicht das Volk der Munduruku. Außerdem hat es keinen Sinn, dass Unternehmen mit einer Führungskraft über soziale Medien sprechen wollen. Sie müssen sich vor der Bundesstaatsanwaltschaft verantworten, weil sie unser Konsultationsprotokoll übergehen. Es wurden bereits zwei Briefe gegen das Carbon Credit-Projekt veröffentlicht: einer von den Verantwortlichen des Cururu-Flusses und ein weiterer von der Associação Dace. Jetzt haben wir uns hier als sieben weitere Munduruku-Organisationen zusammengeschlossen, um zu wiederholen, dass das Volk der Munduruku bereits über ein Konsultationsprotokoll verfügt und in Übereinstimmung mit diesem zu jedem Projekt konsultiert werden muss, das an unser Land angrenzt und Auswirkungen auf uns hat. Wir werden das so lange wiederholen und anprangern, bis Sie endlich lernen, unsere Rechte zu respektieren.
Wir verhandeln nicht über unser Territorium und das Leben unserer Kinder. Das Leben unserer Kinder ist unbezahlbar. Es gibt kein Geld, das dies kaufen kann. Wir werden weiter kämpfen, unseren Kindern beibringen ohne Gewinn und ohne Krankheit zu leben und dies mit eigener Regierung durch Karodaybi und Wakoborũn.
Wir fordern:
– dass die Firmen Carbonext und Mapel ihre Verhandlungen mit der Associação Pusuru über unser Territorium sofort einstellen.
– dass der Verkauf von Quecksilber in den Läden und Geschäften zum Goldaufkauf in den Munizipien Jacareacanga und Itaituba verboten wird.
– dass die Vergabe von Schürflizenen PLGs in indigenen Ländereien und im Umfeld unseres Territoriums im Munizip von Jacareacanga /Itaituba sofort eingestellt wird.
– dass die Sicherheit und Begleitung der in ihren Dörfern bedrohten Menschenrechtsverteidiger:innen durch die Indigenenbehörde FUNAI garantiert werde.
– dass es Kontrolle der Landpisten von Itaituba und Jacareacanga in den indigenen Territorien geben muss, wohin das Quecksilber und von wo das Gold transportiert wird.
– dass die strafrechtlichen Untersuchungen des Angriffs auf die aldeia Fazenda Tapajós fortgesetzt und die Verantwortlichen bestraft werden.
– dass die Terras Indígenas Sawre Muybu und Sawre Bapim demarkiert werden. Je länger diese Demarkation dauert, umso mehr nehmen die Invasionen in unser Territorium zu, umso mehr wird es durch Quecksilber vergiftet, umso mehr wachsen all die Übel des Garimpo-Bergbaus, des Holzklaus und des Diebstahls der Palmenherzen sowie illegale Fischerei und Jagd.
Wir fordern auch:
– dass die Bundesstaatsanwaltschaft die Annulierung sämtlicher unterschriebener Verträge oder Dokumente fordert, wenn diese nicht unserem Konsultationsprotokoll gefolgt sind.
– dass das Bundespflichtverteidigungsbüro der Defensoria Pública da União (DPU) vom Bundesstaat und der Bundesregierung Entschädigungszahlungen veranlasst, da diese die Invasion unseres Territoriums befördert hat. Sie sind schuld, dass wir wegen des Quecksilbers krank sind.
– dass die Fiocruz und andere Organisationen und Ärzt:innen die Studien zur Quecksilbervergiftung fortführen.
– dass eine Anhörung mit dem Bundespflichtverteidigungsbüro DPU, der Bundesstaatsanwaltschaft MPF sowie den zuständigen Sozial- und Umweltbehörden wie Funai, Ibama, ICMBio stattfinde, um den Schutze des Waldes, der Flüsse und der indigenen Gebiete zu garantieren und damit die von uns bereits eingereichten Beschwerden endlich weiterverfolgt werden und die Stellen zusammenarbeiten, um uns bei den Lösungen, die wir bereits erarbeiten, zu unterstützen.
// Übersetzung: christian russau