Eine Gruppe von 60 sozialen Bewegungen zusammen mit seelsorgerisch aktiven Organisationen hat eine Protestnote gegen die rassistischen Äußerungen des Gouverneurs des Bundesstaates Roraima, Antônio Denarium, veröffentlicht.
Von Christian Russau
Eine Gruppe von 60 sozialen Bewegungen zusammen mit seelsorgerisch aktiven Organisationen hat eine Protestnote gegen die rassistischen Äußerungen des Gouverneurs des Bundesstaates Roraima, Antônio Denarium, veröffentlicht. Dies berichtet der Indigenenmissionsrat CIMI auf seiner Internetseite, auf der die Protestnote auch in ganzer Länge zum freien Download zur Verfügung steht. Der Protest richtet sich gegen die Äußerungen des Gouverneurs von Roraima, Antonio Denarium, die dieser über das Volk der Yanomami äußerte, in denen er behauptete, dass es bei Indigenen keine Unterernährung gäbe und dass „diese sich kulturell anpassen müssen, dass die nicht länger im Wald bleiben können, wie Tiere“. Die Organisationen und sozialen Bewegungen kritisieren Gouverneur Denarium vor allem auch angesichts der humanitären Krise, die zum Tod von 570 Kindern aus verschiedenen indigenen Gemeinden geführt hat, die direkt von der Praxis des illegalen Bergbaus betroffen sind, ein Umstand, für den die Bewegungen auch Denarium selbst mitverantwortlich machen. Denarium habe zwei Gesetze zur Unterstützung des Bergbaus in Roraima gebilligt. Die Organisationen gehen soweit, dem Gouverneur von Roraima direkt verantwortlich zu machen: „Er ist verantwortlich für den Völkermord an den Yanomami!“
Die Äußerungen Denariums seien äußerst rassistisch, vorurteilsbehaftet und unmenschlich und zeugten von einer völligen Unkenntnis des Gouverneurs über die Realität der indigenen Völker. Die Äußerungen zeugten von einem Mangel an Respekt und Sensibilität zu einer Zeit, in der mehrere Yanomami-Opfer an Malaria, akuter Unterernährung und anderen Krankheiten sterben, die hätten vermieden werden können. Daten verschiedener Einrichtungen wie der dem Gesundheitsministerium unterstehenden Gesundheitsstiftung Fiocruz deuteten darauf hin, dass die illegale Bergbaupraktiken mit hohen Malariaraten im indigenen Yanomami-Territorium kausal im Zusammenhang stünden. Gouverneur Denarium verstoße – ebenso wie der ehemalige Präsident Jair Bolsonaro – gegen die brasilianische Bundesverfassung und die Menschenrechte, wenn er nichts nichts tut, um die massive Invasion von Bergleuten zu verhindern, von denen viele von einem Netzwerk lokaler und nationaler Geschäftsleute unterstützt werden, im Gegenteil, er habe dieses Verbrechen während seiner ersten Amtszeit gefördert, so die Protestnote. „Wir fordern, dass der Gouverneur von Roraima angesichts einer solchen Bedrohung des Yanomami-Volkes wegen des Verbrechens des Völkermordes nach dem Gesetz bestraft wird“, schließt die Erklärung.
Der Zusammenhang von Unterernährung bei Indigenen, illegalem Bergbau und Quecksilbervergiftungen bis hin zu steigenden Malariafällen bedarf noch der genauen wissenschaftlichen Analyse, zumal zudem geklärt werden muss, welche Auswirkungen dabei der offensichtlich grob fahrlässige Umgang der Bolsonaro-Adminstration mit der knapp dreijährigen Covid-19-Pandemie hatte, aber erste Aussagen von wissenschaftlichen Fachleuten deuten auf Zusammenhänge hin. So berichtet das brasilianische Internetportal UOL, dass der illegale Bergbau die Flüsse und die Fische mit Quecksilber verseucht, während er gleichzeitig durch Rodungen im Wald das Wild verscheuchen und auch die Wasserläufe verändert. So verschwänden nach und nach die wichtigsten Lebensgrundlagen der einheimischen Bevölkerung, infolgedessen kooptierten die Bergleute die einheimischen Arbeitskräfte mit dem Versprechen auf vermeintlichen Reichtum. Die in den Gemeinden zunehmende Ernährungsunsicherheit führe dazu, dass viele Indigene den Verzehr traditioneller Feld-, Jagd- und Fischereiprodukte aufgeben und stattdessen industriell gefertigte, stark verarbeitete Produkte essen, die sie von den Bergleuten bekommen. „Probleme wie Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Diabetes traten auf“, erklärte dazu Wissenschaftler Paulo Basta von der Fiocruz-Stiftung gegenüber Medien. Unterernährung und Anämie machten Frauen und Kinder anfälliger für die Auswirkungen von Quecksilber im Blut sowie für auch andere Krankheiten und die Ansteckung mit endemischen Krankheiten der Region, wie z. B. Malaria. „Was im Amazonas vor unserer Nase passiert, ist eine langsamere, aber mit der Zeit zunehmend chronischere Kontamination“, erklärt der Neurologe Erik Jennings dem Medienbericht zufolge. Für ihn werde die Schwere all dessen erst dann wahrgenommen, wenn viele Menschen unter kognitiven Veränderungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisstörungen und Reizbarkeit leiden. „Subtile Anzeichen, die für andere Krankheiten verantwortlich gemacht werden, hängen in Wirklichkeit mit dem Quecksilber zusammen“, erklärt er.