In der Münchener Messe versammelten sich am Donnerstag, den 23. April 2015 AktionärInnen zur Hauptversammlung der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG, kurz Munich Re. Auch in diesem Jahr hatten GegenStrömung sowie der Dachverband der Kritischen Aktionäre und urgewald e.V. Gegenreden vorbereitet, um den AktionärInnen von Munich Re zu verdeutlichen, dass die Nachhaltigkeitsagenda des weltweit größten Rückversicherers bisher nicht viel mehr als leere Worte beinhaltet.
So erklärte der Vorstandsvorsitzende der Munich Re, Nikolaus von Bomhard, in seiner Auftaktrede den ca. 4000 anwesenden AktionärInnen, dass die Maßnahmen gegen den Klimawandel von „herausragender Bedeutung“ seien. Nur ein paar Sätze später bilanzierte Bomhard dann stolz , dass sein Unternehmen in den letzten fünf Jahren „hohe zweistellige Millionenbeträge“ in die klimaschädliche Kohleindustrie investiert habe. Barbara Happe von urgewald e.V. konstatierte in ihrer Rede folgerichtig: „Wer glaubwürdig und nachhaltig sein will, muss bereit sein, klar und deutlich zu sagen, was mit ihm geht und was nicht. Ein paar grüne Tupfer und ansonsten „business as usual“ – das genügt nicht.“
Für die Hauptversammlung war auch Verena Glass aus Brasilien angereist. Die Vertreterin der Basisbewegung Xingu vivo para sempre berichtete in ihrer Rede von den aktuellen Ereignissen im brasilianischen Altamira. Dort wird der Mega-Staudamm Belo Monte gebaut, mit verheerenden sozialen und ökologischen Folgen: „Das alles ist so schlimm, dass vom Pflichtverteidiger des Bundes (von der Defensoria Pública da União) eine Notfallgruppe von Anwälten nach Altamira entsandt wurde. Diese Notfallgruppe von Anwälten sah sich binnen kürzester Zeit mehr als 1.000 Einzelklagen der ärmsten Bevölkerungsschicht vor Ort gegenüber“, schilderte Verena Glass. Munich Re hat 25 Prozent der Rückversicherungssumme von Belo Monte übernommen und erhält dafür 15,5 Millionen Euro Prämie. Obwohl es seit Beginn des Projektes schwere Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltgesetze gibt, wegen denen Munich Re auch 2012 aus dem Nachhaltigkeitsindex GCX entfernt wurde, bestreitet der Konzern-vorstand nach wie vor die negativen Folgen von Belo Monte. Überhaupt zeigen sich die Verantwortlichen bei Munich Re erstaunlich ahnungslos. Als Verena Glass den aktuellen und größten Korruptionsskandal in Brasilien seit Jahrzehnten anspricht, der weltweit durch die Medien geht und an dem auch Baufirmen beteiligt sind, die den Belo-Monte-Staudamm bauen, erklärte der Vorstand, dass er von dem Skandal erst durch die anwesenden NGOs GegenStrömung und urgewald erfahren hätte. Auf die Frage von Verena Glass, ob die Munich Re aus Fehlern lernen und zukünftig auf die Beteiligung an menschenrechtlich und ökologisch problematischen Staudammprojekten im Amazonasgebiet verzichten wird, erklärte Bomhard lapidar, dass er dafür keine Notwendigkeit sehe.
Während sich die Munich Re in München für die Renaturierung der Isar einsetzt, beteiligt sich der Konzern mit der Rückversicherung von großen Staudammprojekten in Amazonien an der Zerstörung der Umwelt. Neben Belo Monte ist die Munich Re auch an den Staudämmen Teles Pires und Santo Antonio im brasilianischen Amazonas beteiligt. Auch beiden beiden Projekten kam es zur Verletzung von Menschen- und Umweltrechten. Die Doppelmoral der Nachhaltigkeitsagenda von Munich Re brachte Christian Russau vom Dachverband der Kritischen Aktionäre in seiner Rede auf den Punkt. „Angesichts des Engagements der Munich RE bei Staudämmen und Flusszerstörung in Brasilien, fragt man sich doch: Stecken da nur Profitstreben und Ignoranz gepaart mit Unwissenheit dahinter? In München, wo man ja selbst die schöne Isar genießen will, da setzt man sich für Renaturierung ein – in Brasilien, in Amazonien allemal, ja, das ist weit weg, da helfen wir kräftig mit, die Flüsse plattzumachen.“
Die letzte Rede hielt David Vollrath von GegenStrömung. Er las stellvertretend einen Brief von Bischof Erwin Kräuter vor, den dieser anlässlich der Munich Re Hauptversammlung geschickt hatte. Kräutler ist Bischof der größten brasilianischen Diözese Xingu, der Region in der der Belo-Monte-Staudamm gebaut wird. Er setzt sich seit Jahren für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein. „Mit dem Bau von Belo Monte hat die brasilianische Regierung die Bundesverfassung verletzt und gegen internationale Abkommen verstoßen. Sie hat die volle Verantwortung für den kulturellen und sogar physischen Tod dieser Völker zu tragen“, lässt sich Bischof Kräuter zitieren und schließt seine Rede mit warnenden Worten: „Jede Firma, die sich an Belo Monte beteiligt, zeichnet sich mitverantwortlich für diese Menschenrechts- und Umweltkatastrophe.“
Weitere Links:
Das Belo-Monte-Dossier: Der Belo-Monte-Staudamm und die Rolle europäischer Konzerne