(Pressemitteilung von Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V., München)
Am 14. April prangerte die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Ulrike Lunacek im Plenum die lebensgefährliche Situation von Menschenrechts- und UmweltaktivistInnen in Honduras an. Eine Eilresolution des Parlaments benannte den Zusammenhang zwischen der Repression gegen AktivistInnen und deren Widerstand gegen die Durchsetzung von Großprojekten, die maßgeblich von europäischen Investitionen und Technologien abhängen. Tags darauf kam es nahe dem in Bau befindlichen Wasserkraftswerk „Agua Zarca“ zu massiven Angriffen gegen einheimische und internationale TeilnehmerInnen an einer Gedenkzeremonie für die ermordete Aktivistin Berta Cáceres. Mindestens sieben Menschen wurden verletzt.
In der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 wurde Berta Cáceres in ihrem Haus überfallen und mit vier Kugeln getötet. Vermutet wird ein politisches Motiv: Cáceres und ihre Organisation „Ziviler Rates der Indigenen und Volksorganisationen von Honduras“ (COPINH) hatte sich massiv gegen ein transnationales Staudammprojekt in der Lenca-Region Río Blanco eingesetzt. Cáceres‘ friedlicher Aktionismus für indigene Rechte wurde 2015 mit dem Goldman-Preis ausgezeichnet. Als sie im Frühjahr eine Europa-Tour plante, um involvierte Investoren erneut über die Missstände im Rahmen des Projektes zu informieren, wurde sie umgebracht.
Ihr Tod sorgte weltweit für Aufsehen, selbst Leonardo DiCaprio und Naomi Klein ergriffen das Wort. Zwei Wochen später wurde Nelson García getötet, ebenso wie Cáceres COPINH-Aktivist für indigene Rechte und Umweltrechte.
Das EU-Parlament hatte am Donnerstag, 14.April in einer mühsam verhandelten, dann aber vergleichsweise scharfen Dringlichkeitsresolution den honduranischen Staat wegen seiner Untätigkeit für den Schutz von Umwelt- und Menschenrechtsverteidiger*innen kritisiert, den Mord an Berta Cáceres verurteilt, einen klaren Zusammenhang mit ihrem Widerstand gegen das Kraftwerk „Agua Zarca“ hergestellt und eine unabhängige Aufklärung der Tat durch internationale Instanzen gefordert.
Unmittelbar danach kam es zu einer weiteren Gewalteskalation: Am Freitag, 15. April, trafen sich am Fluss Gualcarque etwa 200 einheimische Umweltaktivist*innen, internationale Unterstützer*innen und Medienvertreter*innen, die an dem Treffen „Berta Cáceres lebt“ teilgenommen hatten, um in einer Zeremonie ihrer ermordeten Freundin und Mitstreiterin Cáceres zu gedenken. Als sie danach zum nächstgelegenen Dorf zurückgingen, wurden sie von Angestellten und Sympathisanten des Unternehmens DESA (Desarollos Energéticos S.A.) angegriffen. Die Angreifer waren mit Stöcken, Macheten und Steinen bewaffnet. Internationale Teilnehmer*innen, ein TV-Journalist und mehrere lokale Aktivist*innen wurden verletzt.
Augenzeug*innen der Vorfälle am 15. April waren auch zwei Mitglieder des deutsch- österreichischen Menschenrechtsnetzwerks HondurasDelegation*). Sie berichten, dass starke Polizeikräfte vor Ort waren, die den Angriffen tatenlos zusahen und nichts unternahmen, um sie zu verhindern. Sie wären auch nicht bereit gewesen, über Funk ihre Vorgesetzten und das Sicherheitsministerium in der Hauptstadt zu informieren, sondern hätten behauptet, keinen Empfang zu haben. Laut Augenzeug*innen schrien die Angreifer mit Bezug auf Berta Cáceres: „Wir haben die Fliege getötet, jetzt bleibt nur noch der Pöbel.“ Sie drohten auch, dass sie Tomás Gómez, den neuen Koordinator des COPINH, lokalisieren und angreifen würden. Unter Nennung von Vor- und Nachnamen bedrohten sie ebenfalls Sotero Chavarría, der dem Leitungsgremium des COPINH angehört. Er wurde durch einen Steinwurf verletzt.
Das Unternehmen DESA hatte nach einem längeren Baustopp im Herbst vergangenen Jahres erneut mit den Bauarbeiten an dem Kraftwerk begonnen und seither eine gezielte Diffamierungskampagne gegen die Staudammgegner betrieben, die Hand in Hand mit Übergriffen ging. Auch den erneuten Angriffen ging eine öffentliche Erklärung der DESA vom 12. April voraus, in der COPINH des Vandalismus und der Störung der öffentlichen Friedens bezichtigt und gewarnt worden war. Damit zeigt das Unternehmen das gleiche Muster wie bei den öffentlichen Drohungen gegen Berta Cáceres einige Tage vor ihrer Ermordung.
Der neuerliche Angriff fand am selben Ort statt, an dem am 20. Februar dieses Jahres bewaffnete Männer der DESA (Auftragsmörder und Angestellte) versucht hatten, Berta Cáceres zu töten. Cáceres und COPINH hatten dies angezeigt, aber keine Antwort von Seiten der staatlichen Autoritäten erhalten. Für Berta Cáceres, weitere Mitglieder des COPINH, darunter Tomás Gómez und die Lenca-Gemeinden von Rio Blanco, hatte die Interamerikanische Menschenrechtskommission staatliche Schutzmaßnahmen angeordnet, die jedoch nicht umgesetzt wurden.
Eine Kommission von COPINH befindet sich ab dem heutigen 18. April in Brüssel um vor EU-Institutionen rasches und entschiedenes Handeln zu fordern. Sie reist danach in die Niederlande, nach Finnland und Deutschland ( 2. – 5. Mai Berlin und München) weiter.
*) Namen bekannt, aber aus Sicherheitsgründen hier nicht genannt
KONTAKT:
Andrea Lammers
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V., München Tel. 089 – 448 5945
E-mail: elsal@oeku-buero.de
LINKS / HINTERGRUNDINFOS
Zum Mord an Berta Cáceres hier
Zu den Aggressionen im Rahmen des Internationalen Treffens „Berta Cáceres Vive“ am 15. April 2016 hier
Zur Beteiligung von Voith Hydro (Siemens/Voith Joint Venture):
Nach dem Mord an Berta Cáceres forderten zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, darunter Ökumenisches Büro und HondurasDelegation, die Siemens AG und die Voith GmbH in einem offenen Brief auf, sich sofort vollständig aus dem Staudammprojekt „Agua Zarca“ zurückzuziehen. Das Joint Venture der beiden Unternehmen, Voith Hydro, ist mit Verträgen über Turbinenlieferungen an dem Vorhaben beteiligt. Die europäischen Finanziers des Projektes, die Entwicklungsbanken FMO aus den Niederlanden und FinnFund aus Finnland, hatten am 16. März 2016 angekündigt, angesichts der Morde, sämtliche Geschäfte in Honduras vorläufig zu stoppen und alle laufenden Zahlungen zu suspendieren.
Siemens war die Problematik der illegalen Konzession für „Agua Zarca“ im Widerspruch zur ILO- Konvention 169 und der Menschenrechtsverletzungen im Zuge der gewaltsamen Durchsetzung des Projektes seit 2013 bekannt. Im März 2015 informierte Tomás Gómez von COPINH das Unternehmen ausführlich über die Gewaltakte, einschliesslich der Angriffe auf seine Person, über die fehlende freie, informierte Konsulation der betroffenen Lenca-Gemeinden, die Bedeutung des Rio Gualcarque für ihre Kosmovision und zahlreiche Gesetzesverstöße beim Genehmigungsverfahren. Dennoch verteidigte Siemens CEO Joe Kaeser bei der Hauptversammlung Ende Januar 2016 das Projekt „Agua Zarca“ vehement als legal und notwendig. Auf ihren Offenen Brief erhielten die deutschen NGOs bisher keine Reaktion.