Die Deutsche Bank hielt am 20. Mai ihre alljährliche Hauptversammlung ab. Diesmal rein virtuell per Internet, aber wir mussten wiederum kritisch nachfragen und haben die Fragen vorab online eingereicht.
Vorab von Christian Russau (Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre) zur virtuellen Jahreshauptversammlung der Deutsche Bank AG am 20. Mai 2020 eingereichte Fragen zu TOP 2 und TOP 3:
Ein paar Blicke in Ihre Konzernbilanzen offenbart – leider wie jedes Jahr – in der Tat Erschreckendes. Seien es verantwortungslose Bergbauprojekte, die die Natur zerstören und die in nicht wenigen Fällen Menschen töten, seien es Anteile an oder Kredite für Fleischverarbeiter, die belegtermaßen an der illegalen Rodung und Landnahme in Amazonien ihren Anteil haben. Im Konkreten geht es mir heute um vor allem zwei Firmen: den brasilianischen Bergbaukonzern Vale und den brasilianischen Fleischverarbeiter JBS sowie um deren Connection zur Deutschen Bank.
Zu Vale: Bereits im vorvergangenen und im vergangenen Jahr haben wir Sie zusammen mit den brasilianischen Kolleg*innen bereits ausführlich gewarnt und auf die Bruchrisiken der Tailingdämme des brasilianischen Erzbergkonzerns Vale hingewiesen. Die Brüche von Mariana und Brumadinho sprechen hier Bände.
Fall 1: Der Bruch von Mariana. 19 Tote. Der Damm des Rückhaltebeckens der Firma Samarco (je 50% in Eigentum von Vale und BHP Billiton) brach, 19 Menschen starben und 680 Kilometer Flusslauf des Rio Doce wurden verseucht, so dass zeitweise mehr als zwei Millionen Menschen von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten waren und die über 1.500 Kleinfischerinnen und -fischer bis heute ihrem Beruf nicht mehr nachgehen können, weil der Fluss klinisch tot ist. Infolge des Dammbruchs von Mariana wurde bei Dutzenden von Kindern hohe Arsenrückstände im Körper medizinisch nachgewiesen. Diese Kinder sind über einen langen Zeitraum dem toxischen Schlamm ausgesetzt gewesen. Es gibt seitens der verantwortlichen Firmen keinerlei Ansatz eines Vorgehens, das eine reale Erfassung der Gesundheitssituation und der Kontamination durch das Wasser gewährleistet. Die Familien, die ihre Häuser in den Schlammmassen verloren haben, deren Häuser und Städte sind noch immer nicht wiederaufgebaut worden. Die gesamte soziale und Umwelt-Dimension dieses Desasters ist noch immer nicht vollkommen erfasst worden, so dass eine umfassende und adäquate Wiedergutmachung und Entschädigung verunmöglicht wird. Und dies alles viereinhalb Jahre nach dem Dammbruch von Mariana.
Fall 2: Der Bruch von Brumadinho. 270 Tote. Im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais brach 25. Januar 2019 in der Nähe der Kleinstadt Brumadinho, rund 25 Kilometer südwestlich des Landeshauptstadt Belo Horizonte, ein Damm eines Rückhaltebeckens für die Erzschlammreste der Mine Córrego do Feijão. Vale erklärte, in dem gebrochenen Becken hätten sich 11,7 Mio. Kubikmeter Erzschlammreste befunden. Der Erzschlamm flutete ein ganzes Tal.
Obwohl ich Sie bereits im vor- wie auch im vergangenen Jahr darauf hingewiesen habe, steht die Deutsche Bank noch immer in Geschäftsverbindungen zu den verantwortlichen Firmen. Zwischen 2010 und 2017 stellte die Deutsche Bank der brasilianischen Vale 701 Mio. Euro und der anglo-australischen BHP Billiton 622 Mio. Euro an Krediten und Anleihen zur Verfügung. Außerdem hält die Deutsche Bank Aktien an den beiden Unternehmen in Höhe.
Ich frage Sie: zum Stichtag 30. März 2020 hielt die Deutsche Bank, inklusive Töchter, wieviele Bonds, Anteile an (auch multilateralen) Kredittranchen sowie an Assets der Firma Vale sowie der Firma BHP Billiton?
Zu JBS: JBS S.A. ist der weltgrößte Fleischproduzent der Welt. JBS steht für eine lange Kette von Umweltzerstörungen – direkt und indirekt, konkret wie symbolisch. Dazu kommen gravierende Verstöße beim Arbeitsrecht. Das Arbeitsministerium hat wiederholt Fälle von sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Produktionskette von JBS aufgedeckt. Erinnern muss ich auch an den immensen Anteil, den die weltweite Viehwirtschaft am CO2-Ausstoß hat, nach Angaben der Vereinten Nationen nämlich derzeit rund 15 Prozent.
2017 haben die Besitzer von JBS eingestanden, mehr als 1.800 brasilianische Politiker*innen mit mehr als 150 Mio. US-Dollar bestochen zu haben.
Im August vergangenen Jahres wurde in so ziemlich allen Medien darüber berichtet, wie es in Amazonien zu einer massiven Zunahme der Brände kam. Die gezielt gelegten Brände haben sich allein Amazonien im Vergleich zum Vorjahr ersten Berechnungen zufolge verdoppelt. Sie müssen sich diesen Vorgang so vorstellen: Die Tropenholzmafia, die Fleisch- und Sojabarone, die illegalen Goldsucher, die bewaffneten Pistoleiros und die Auftragskiller sehen nun ihre Untaten als legitimiert an. Ihr Hauptmann, Jair Bolsonaro, sei já nun schließlich Präsident Brasiliens. Ein Präsident, der sich für jede verbale Ungeheuerlichkeit sofort hergibt und mit ur-reaktionären Verbalinjurien nur so um sich schlägt. Die genannten Gruppen wähnen sich im Auftrag ihres Präsidenten, den Indigenen, den Quilombolas (afrobrasilianischer Bewohnerinnen von Quilombo-Siedlungen, die damals von entflohenen Sklavinnen gegründet wurden), den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ihr Land und deren Ressourcen zu stehlen. In Amazonien werden die Brände gezielt gelegt, auch in indigenen Territorien, und zwar von diesem Mafia-Triumvirat des Tropenholzes, des Agrobusiness‘ und der Goldgräber. Der Vorgang läuft meist so ab: Erst verbale Morddrohungen durch gedungene Pistoleiros, dann fällt die Holzmafia in die Gebiete ein und macht die lukrativen Objekte ihrer Begierde aus. Diese werden mit schwerem Gerät und unter bewaffnetem Einsatz illegal herausgeholt, dann werden zwei große Caterpillar mit mehrfach gehärtetem Stahlseil im Abstand von 50 Meter aufgestellt, und die Caterpillar ziehen das gewundene Stahlseil, den Correntão. Dieser reißt alles, aber auch jeden noch so dicken Stamm mit allem Wurzelwerk aus. Das lässt man drei, vier Monate liegen und austrocknen, dann wird alles gezielt in Brand gesetzt. Nach nur einigen kurzen Wochen danach wird Saatgut für capim, also Gras, ausgebracht, und ein paar Wochen drauf stehen auf diesen illegal gebrandrodeten Flächen Rinder. 80 Prozent der in Amazonien illegal gebrandrodeten Flächen erfolgen für die Rindviehhaltung.
Hier die Zahlen, was die Viehhaltung in Amazonien bedeutet: 1970 galt ein Prozent Amazoniens als gerodet, heute liegt dieser Wert bei 20 Prozent. Gab es in Amazonien im Jahr 2000 noch 47 Millionen Rinder, so sind es heute 85 Millionen Rinder. Dies entspricht 40 Prozent aller 219 Millionen Rinder Brasiliens. Es gibt in Brasilien also mehr Rinder als Einwohner*innen.
Noch einmal ausführlicher zur Frage, was hat die JBS-Fleischproduktion mit Amazoniens Wäldern zu tun? JBS rühmt sich, (auf Druck großer Umwelt-NGOs hin) ein Abkommen unterzeichnet zu haben. Darin verpflichtet sich der Konzern JBS, ab Oktober 2009 kein Fleisch aus illegal gebrandrodeten Flächen zu beziehen. Doch JBS wurde erwischt. Rinderherden aus illegal gerodeten Flächen waren umdeklariert worden, wie die Investigativjournalist*innen von Repórter Brasil wiederholt herausgefunden haben. Für das Jahr 2016 hat die NGO Global Witness aufgedeckt, dass dies in 20 Prozent der Produktion von JBS der Fall war.
Solche Verbrechen galten den brasilianischen Umweltbehörden bereits in der Vergangenheit allenfalls als Vergehen, die mit lächerlichen Umweltstrafen belegt wurden. JBS hat diese aus der Portokasse beglichen. Unter einer Bolsonaro-Regierung wird dergleichen noch ungleich weniger verfolgt, meist geschieht sogar das Gegenteil. Es ist dieses Geschäftsmodell von JBS, das zu einem Großteil der illegalen Brandrodungen in Amazonien mitverantwortlich ist. Schon seit Jahren fordern Indigene einen Boykott des tödlichen brasilianischen Agrobusiness‘, weil es indigenes Blut an den Händen habe.
Und was hat das mit der DEUTSCHEN BANK zu tun?
JBS wird durch international agierende Banken mit großzügigen Krediten finanziert. Die gleichen Banken halten auch noch Aktienpakete an JBS. Stand April 2019 hatte die Deutsche Bank Anteile an JBS in Höhe von 11 Mio. US-Dollar gehalten und Kredittranchen in Höhe von 56,7 Mio. US-Dollar vergeben. Ich frage Sie: zum Stichtag 30. März 2020 hielt die Deutsche Bank, inklusive Töchter, wieviele Bonds, Anteile an (auch multilateralen) Kredittranchen sowie an Assets der Firma JBS?
Ein weiteres schwerwiegendes Argument, warum Sie als Deutsche Bank Firmen wie JBS weder Kredite geben sollten, noch Anteile dieser Firma kaufen sollten: JBS ist direkt und indirekt mitverantwortlich für den Skandal, die in Brasilien so dringend nötige Agrarreform gezielt zu verhindern. Das geschieht in einem Land, in dem eine extrem ungleiche Landverteilung herrscht, wo etwa 10% der Bevölkerung rund 80% des Landes besitzen und gleichzeitig 4,8 Mio. Familien dringend auf Land warten. In solch einem Land wie Brasilien wirkt sich weniges so fatal auf die Agrarreform aus wie ein übermächtiges System kapitalistischer Aufkäufer von Fleisch. Deren Fleischfabriken kontrollieren den Markt und diktieren den Preis , um die Kleinbäuerinnen und -bauern und Kleinproduzent*innen gezielt schlechter zu stellen und sie aus dem Markt zu drängen. Dies geschieht über Verträge mit den Großproduzenten, die sich oft das Land historisch schon lange angeeignet haben – sei es durch gezielte Drohungen, Landtitelfälschungen oder durch schlichte Marktmacht. Ein Konzern wie JBS zementiert in solch einem auf Latifundien beruhenden Aufkaufsystem den Status Quo der ungerechten Landverteilung. Wenn es ein Symbol der gegen jedwede Agrarreform gerichteten reaktionären Wirtschaftselite in Brasilien gibt, dann ist dies JBS.
Die Deutsche Bank sollte ihre Policy endlich an grundlegenden menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten ausrichten. Solange dies nicht geschieht, verweigern wir Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung.
Antworten der Deutschen Bank:
Die Deutsche Bank erwiderte, die Bank bekenne sich „voll und ganz, unsere Verantwortung zur Einhaltung der Menschenrechte zu achten, wir arbeiten aber auch kontinuierlich daran, uns zu verbessern.“ Menschenrechtsregeln würden explizit in Investitionsentscheidungen integriert. Bei Tailings im Besonderen: Seit 2011 verfüge die Deutsche Bank über „umfassende Regeln, die die Zuständigkeiten und Verfahren zum Erkennen, Bewertung und Entscheidung in Bezug auf Umwelt- und soziale Risiken festlegen“, diese gelte auch für industrielle Großprojekte.
Zu Geschäftsbeziehungen (Anteile, Kredite, Bonds, Anleihen etc) zu Vale, zu AngloAmerican, zu BHP Billiton: Unsere gesetzlichen Verpflichtungen erlauben uns nicht, zu Geschäftsbeziehungen Stellung im Einzelnen zu beziehen. Mit Erlaubnis unseres Kunden (Vale) hatten wir auf der Jahreshauptversammlung 2019 zu unseren Geschäftsbeziehung damals Auskunft gegeben. (Fragen Russau 2019). Am neuen „Global Tailing Review“ sei die Deutsche Bank nicht direkt beteiligt, würde sich aber regelmäßig darüber informieren.
Zu JBS: „Ja, wir sind uns der Risiken einer fortschreitenden Entwaldung sehr bewusst. Deshalb finanziert die Deutsche Bank keine Geschäfte, bei denen Primär-Wälder, Gebiete mit erhöhtem Schutzstatus oder Moorgebiete umgewandelt werden. Außerdem finanzieren wir keine Geschäfte, die nachweislich mit illegaler Abholzung oder dem unkontrollierten oder illegalen Einsatz von Feuer in Verbindung stehen. Wir haben Leitlinien für Unternehmen eingeführt, die eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion fördern sollen. Wir überprüfen regelmäßig, ob sich unsere Kunden an unsere Vorgaben halten. Wenn wir dabei auf Probleme stoßen, sprechen wir unsere Kunden darauf an.“