Die investigativen Journalist:innen von Repórter Brasil haben einen neuen Bericht vorgestellt, der die Rolle der schweren Baggerfahrzeuge beim illegalen Goldabbau und der Waldrodung in Amazonien offenlegt und zeigt, wie sich die Hersteller dieser schweren Maschinen aus der Verantwortung stehlen.
Von Christian Russau
Den investigativen Journalist:innen von Repórter Brasil gelang es mittels des brasilianischen Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu Behördendaten zu bekommen, die die Rolle von schweren Baggerfahrzeugen beim illegalen Goldabbau und der Waldrodung in Amazonien belegt und zeigt, wie sich die Hersteller dieser schweren Maschinen aus der Verantwortung stehlen (hier der Link zur Studie auf Englisch). Repórter Brasil fand 157 Fälle, in denen staatliche Inspektionsteams Maschinen von 19 Markenherstellern in illegalen Minen beschlagnahmten oder zerstörten, die in den letzten fünf Jahren auf indigenem Land oder in Naturschutzgebieten eröffnet wurden. Dabei handelt es sich um eine vorsichtige Schätzung der Auswertung der Behördendaten durch Repórter Brasil, da in den übermittelten Tabellen Hunderte von anderen Aufzeichnungen über das Abbrennen von Maschinen enthalten sind – nur diejenigen, die ausdrücklich angeben, dass die Tätigkeit in geschützten Gebieten stattfand, wurden in den Bericht aufgenommen, so Repórter Brasil. Hinzu gilt es dabei zu beachten, dass dies scon deswegen nur die Spitze des realen Eisbergs sein kann, da unter der Regierung Bolsonaro die behördliche Vor-Ort-Kontrolle in Amazonien bewusst gezielt geschwächt und ausgehöhlt wurde.
Von den 19 Maschinenherstellern, die bei der Auswertung der Behördendaten von Repórter Brasil in illegalen Bergbaubetrieben in indigenen Gebieten oder Schutzgebieten gefunden wurden, beantworteten nur sechs die Fragen der Investigativjournalist:innen. Meistens verwiesen diese auf die Schwierigkeit bis Unmöglichkeit des Endnutzungsverbleibs, die Maschinen würden bei einer durchschnittichen Lebensdauern von über einem Jahrzehnt teilweise mehrmals weiterverkauft, den Herstellern sei es deshalb nicht möglich, dies im Einzelnen zu verfolgen. Die mögliche Kontrolle beschränke sich beim Kaufvorgang der Maschinen auf die gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentenkontrolle. Doch selbst dies geschieht nicht immer angemessen. In dem Bericht von Repórter Brasil wird die WWF-Naturschutzexpertin Deborah Goldemberg zitiert, die fordert: „Wir brauchen ein Mindestmaß an Transparenz. Konsultationen wie diese dauern keine zehn Minuten, es ist ein sehr einfacher Check“. Doch grundsätzlich gilt bei den Herstellern offensichtlich noch immer die Regel: „Mit dem Erwerb des Baggers übernimmt der Kunde die Hauptverantwortung für den Einsatz, in dem er eingesetzt wird“, erklärte Matheus Fernandes, Business Manager von Link-Belt Lateinamerika, bereits 2021 den Reportern von Repórter Brasil. In neue Baggermodelle hätte die Unternehmen ein System eingebaut, das ein Signal aussendet und die Ortung des Geräts ermöglicht. Sie kann jedoch vom Bediener ausgeschaltet werden. Wie kundenfreundlich, möchte man da ausrufen! Repórter Brasil verweist auf robustere und durchsetzungsstärkere Softwaren, die verhindern könnten, dass diese Maschinen zur Waldzerstörung eingesetzt werden, wie z. B. die freie Software-Codes, die in der Lage seien, Geräte abzuschalten, wenn diese die Grenzen von Schutzgebieten überschreiten. Aber es gibt keine Verpflichtung der Industrie, solche Tool einzusetzen.
Diese neuen Daten bestätigen einen Investigativbericht von Repórter Brasil aus dem Vorjahr, der die Rolle des Baggerbusiness eim illegalen Goldabbau in Amazoniens Schutzgebieten darlegte: „Sie ist heute die wichtigste Maschine im Bergbau. Das Gold befindet sich im Allgemeinen in einer Schicht unter der Erde, so dass die Hauptaufgabe des Baggers darin besteht, die oberste Erdschicht abzutragen. Der Rest der Arbeit in der Mine wird mit Wasserstrahlen, Motoren und Schlammsaugpumpen erledigt“, erklärte der Experte der Bundespolizei Gustavo Caminoto Geiser bereits im vergangenen Jahr.
Der neue Bericht von Repórter Brasil zeigt aber auch die Rolle der Bagger nicht nur beim illegalen Goldabbau, sondern auch bei der illegalen Rodung Amazoniens auf: Denn nicht nur im Bergbau sind schwere Maschinen im Einsatz. Sie spielen eine zentrale Rolle im Kreislauf der Waldrodung. Eine der wichtigsten Methoden zur schnellen Räumung großer Flächen ist der so genannte „correntão“. Eine sehr dicke Kette aus bruchsicherem Stahl wird zwischen zwei Bulldozern gespannt, die über den Wald fahren und alles abholzen, was sich ihnen in den Weg stellt. Danach werden die wertvollen Hölzer entnommen, der Rest zum Trocknen liegen gelassen, so dass das Gelände dann nach wenigen Monaten idealen Nährboden für gezielten Waldbrand darstellt.
Auf den Plantagen selbst wird viel zu wenig kontrolliert, so Repórter Brasil. Diese fehlende Kontrolle über die Käufer von Landmaschinen gibt den abholzenden Landwirten Schlupflöcher, um öffentliche Kredite für den Erwerb genau dieser Maschinen aufzunehmen. Obwohl die Finanzierung von Traktoren, Mähdreschern und anderen Maschinen für den Einsatz in den Sperrgebieten im Amazonasgebiet gesetzlich verboten ist, hat Repórter Brasil herausgefunden, dass Fazeindeiros, deren Grundstücke eigentlich mit einem behördlichen Embargo belegt sind, schwere Maschinen und Geräte mit Mitteln der staatlichen Entwicklungsbank BNDES gekauft haben – und dies mit Krediten, die von Tochtergesellschaften internationaler Banken wie Santander und Rabobank vermittelt wurden oder auch von Instituten, die mit den Herstellern verbunden sind, wie die Bank John Deere, der Finanzzweig der Traktormarke.
Und wen trifft dies am Ende alles mit voller Wucht? Die Indigenen und anderen traditionellen Völker vor Ort in der Region, die Flussanwohnenden und die Kleinfischer:innen. Das Beispiel des indigenen Volk der Munduruku mit seinen rund 13.000 Personen zeigt die Brisanz der Folgen dieser rücksichtlossen Geschäfte: Das Volk der Munduruku lebt am Jamanxim-Fluss und am Tapajós-Fluss. Die Hauptproteinquelle der Munduruku in ihren „Aldeias“ („indigenen Dörfern“) stammt aus dem Fischfang, der durch den meist illegalen Goldbergbau und Goldwaschens in den Flüssen starkt quecksilberverseucht ist. Untersuchungen der staatlichen Fiocruz-Behörde für Gesundheit ergaben 2021, dass 60 Prozent der Munduruku der Terra Indígena Sawré Muybu Quecksilberwerte im Blut über den von der WHO erlaubten Grenzwert aufweisen, dessen Ursprung der Goldbergbau ist. Von 2010 bis 2021 stieg der Goldabbau in der Region um 500 Prozent, und angesichts einer diese illegalen Schürfaktivitäten verbal und politisch unterstützenden Position seitens des amtierenden Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, dürfte der illegale Goldbergbau in Amazonien und vor allem auch in der Tapajós-Region noch weiter ansteigen. Des Weiteren werden mehr und mehr Pläne zum Staudammbau in der Tapajos-Region ebenso wie der geplante Bau von Bahnlinien und Wasserstraßen aus den Schubladen in Brasília geholt. Es stehen den Menschen vor Ort düstere Zeiten in Aussicht. Ob schärfere Lieferkettengesetze in den Herstellerländern weiterhelfen?