GegenStrömung dokumentiert die Rede von Alejando Pacheco (Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit, München) auf der Jahreshauptversammlung der Münchener Rück am 30. April 2019 in München
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich
bin Alejandro Pacheco Zapata, Kolumbianer und stelle heute einige
Fragen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit von Munich Re bei dem
Staudamm Hidroituango in Kolumbien.
Her Wenning, ich vermute,
Sie kennen die Folgen von Staudämmen, wie die Methan- oder
Stickoxidbilanzen sowie die CO2 Emissionen, ganz gut. Das ist nicht das
erste Mal, dass Munich Re in Schwierigkeiten geraten ist, wegen einem
Staudaumprojekt. Vielleicht ist aber Ihnen noch nicht klar, welche
anderen direkten Folgen solche Projekte haben, die Sie als
Rückversicherer – und Sie meine Damen und Herren, als Aktionärinnen und
Aktionäre – tragen müssen.
In diesem Raum wurde schon in den
letzten Jahren zum Beispiel über Hidrosogamoso oder über den
Belo-Monte-Staudamm und sicher über andere Projekte gesprochen. Nun
spreche ich dieses Jahr über Hidroituango. Es ändert sich nichts:
Baufehler, Menschenrechtsverletzungen und vor allem – Korruption.
Herr Wenning, warum hat das Unternehmen in Kolumbien mit dem Projekt Hidroitunago einen Vertrag abgeschlossen? Das Projekt ist vom Anfang an in Korruption verwickelt gewesen und wird mit Massakern, gewaltsamen Verschwindenlassen, Ermordungen von Vertreter*innen der betroffenen Gemeinschaften und mit der Behinderung der Übergangsjustiz in Zusammenhang gebracht. Hinzu kommen negative Auswirkungen auf die Umwelt und, schlimmer noch, die Gefahr humanitärer Katastrophen aufgrund schwerwiegender Fehler bei der Risikoabschätzung beziehungsweise bei den Bauarbeiten.
Dieses Projekt wurde heftig kritisiert, sowohl im Kongress wie auch auf regionaler und internationaler Ebene. Nun muss der Betreiber über 800.000 Euro als Strafe zahlen, weil er in drei verschiedenen Baustellen ohne Umweltgenehmigung vorgegangen ist.
Seit der Planungsphase von Hidroituango gab es Massaker und Fälle von gewaltsamen Verschwindenlassen im Projektgebiet. In der Überflutungszone befinden sich Massengräber. Rund 900 Menschen in dieser Gegend gelten als gewaltsam verschwunden gelassen. Ihre sterblichen Überreste befinden sich nun möglicherweise unter dem Wasser des Stausees. Damit ist ihren Angehörigen sogar die Hoffnung genommen, wenigstens die sterblichen Überreste ihrer Liebsten zu finden – ein schwerwiegendes Hindernis für die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Übergangsjustiz.
Seit
2013 wurden überdies fünf Vertreter der vom Projekt betroffenen
Gemeinden ermordet. Außerdem fiel im vergangenen Jahr der zentrale
Umleitungstunnel der Baustelle für den Fluss Cauca aus; nach schweren
Regenfällen war er durch Erdrutsche, Bäume und Murenabgänge verstopft
worden. Der zweite Umleitungstunnel war zuvor von der Baufirma
zubetoniert worden. Da die Staumauer von Hidroituango schon stand, stieg
das Wasser bedrohlich weiter an und flutete erste angrenzende
Siedlungen. Am 12. Mai 2018 brach das auch in den Tunneln angestaute
Wasser abrupt durch, so dass die anschließende Flutwelle weitere
Landfläche flutete, Ortschaften zerstörte, einen Millionenschaden
erzeugte und eine großflächige Evakuierung der bedrohten Bevölkerung
notwendig machte.
Mehr als 30.000 Menschen waren direkt von den
Überschwemmungskatastrophen betroffen und bis heute nicht angemessen
entschädigt. Was macht Ihre Firma als Rückversicherer, um diese Opfer zu
entschädigen? Sie haben sicher mehr Erfahrung in diesem Bereich als der
Betreiber, weil dies nicht der erste Fall bei Ihnen ist.
Aus
ökologischer Sicht hat das Projekt noch andere negative Auswirkungen wie
Entwaldung, Dürren, Probleme mit der Abfallwirtschaft und einen Mangel
an Fischen verursacht. Über 34.000 Fische sind am Ufer des Flusses
gestorben. Deshalb wurde die vorübergehende Außerkraftsetzung von
Umweltlizenzen beschlossen. Es besteht nach wie vor ein hohes Risiko,
dass der Damm bricht oder dass große Mengen Wasser durch den Berg
sickern. Wo sind bei Ihnen die Prinzipien für nachhaltige Versicherungen
geblieben? Sie haben sich ihnen angeschlossen. Was hat Ihre
Reputationsrisikosteuerungs-Kommite gemacht als EPM in 2015 mit den
ersten Hindernissen gestolpert ist?
In diesem Jahr wurde eine
Prämie für die Beschleunigung des Dammbaus ausgelobt. Die Arbeiten
begannen, ohne die für die Änderungen der Baupläne notwendige
Umweltgenehmigung. Die Prämie erfordert eine Rekord-Bauzeit und das
Unternehmen hat bereits anerkannt, dass dies eine der Ursachen für die
aktuellen Probleme ist. Deswegen verbucht die Munich Re den Fall
„Hidroituango“ laut Geschäftsbericht unter „von Menschen verursachten
Großschäden“ und stellt den „größten Einzelschaden“ dar. Nun muss die
Firma für die entstandenen Zerstörungen rund um das umstrittene
Wasserkraftwerk Hidroituango eine dreistellige Millionensumme bezahlen.
Die Risiken waren sehr hoch und ich denke, sie stellen heute geringere Gewinne und geringere Renditen für die Aktionäre dar. Ihr Ziel zu der Schaden-Kosten-Quote für Rückversicherungsschäden war 99%. Das Ergebnis im Jahr 2018 betrug aber 99,4%. Ihr Ziel zu Economic Earnings über 2,1 wurde mit 1,9 Milliarden Euro auch nicht erreicht. Hätten Sie das ohne Hidroituango vielleicht geschafft?
Aus all diesen genannten Gründen sind wir der Ansicht, dass der Vorstand unter der Leitung von Herrn Wenning, nicht entlastet werden sollte und fragen:
1. Herr
Wenning, deutsche Organisationen und die kolumbianische Organisation
„Rios Vivos“ haben seit Jahren vor den Folgen des Großprojekts
Hidroituango für Menschen und Umwelt ausdrücklich gewarnt und dabei auch
deutsche Firmen und Politik mit Nachdruck aufgefordert, sich nicht an
diesem Projekt zu beteiligen. Warum hat denn das Unternehmen in
Kolumbien mit Hidroituango einen Vertrag abgeschlossen?
2. Wie
hoch genau ist die Entschädigung, die die Firma an Hidroituango wegen
von Menschen verursachten Großschäden bezahlen muss?
3. Welche
Reichweite haben Ihre Nachhaltigkeitspolitik bzw. Ihre Klimastrategie
und Ihre Zustimmung der Prinzipien für nachhaltige Versicherungen?
Gelten sie für Projekte außerhalb Deutschlands nicht? Oder wäre es eine
Vorstandsaufgabe, die Anwendung der entsprechenden Leitlinien zu
überprüfen?
4. Muss die Firma auch eine Entschädigung für die Wiedergutmachung der Opfer bezahlen? Was macht Ihre Firma als Rückversicherer, um diese Opfer zu entschädigen?
5. Für 2019 haben Sie das Ziel von Schaden-Kosten-Quote Rückversicherungsschaden um 98% erleichtert sowie die Economic Earnings auf mehr als 2,5 Milliarden gehoben. Was passiert, wenn der Damm bricht? In den letzten Tagen gab es neue Erdrutsche. Oder sehen Sie etwa keine Risiken mehr bei Hidroituango und bei anderen Staudämmen?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ich freue mich auf eine ausführliche Antwort.
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