Berlin, 7.7.2009 – Am heutigen Morgen haben die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ihren Ausstieg aus dem Ilisu-Projekt am Tigris offiziell bekannt gegeben. Damit sind die Versuche der Türkei, den Staudamm zu bauen, bereits zum zweiten Mal gescheitert. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen begrüßen dies als Meilenstein auf dem Weg, das Projekt endgültig zu stoppen und höhere Standards für die Vergabe von Exportbürgschaften zu erreichen.
„Der Rückzug der Bürgschaften für Ilisu ist ein riesiger Erfolg der intensiven Kampagnenarbeit in allen beteiligten Ländern“, freut sich Heike Drillisch von GegenStrömung, der Ilisu-Kampagne in Deutschland. Über zehn Jahre lang hatten Nichtregierungsorganisationen immer wieder nachgewiesen, dass das Ilisu-Projekt internationale Standards verletzt und so auf den jetzigen Ausstieg der europäischen Regierungen hingewirkt. „Ilisu ist zum Wahrzeichen einer verfehlten Exportpolitik geworden. Regierungen, Banken und Unternehmen müssen ihre Lehre daraus ziehen und von derartigen Megaprojekten ohne Rücksicht auf die Menschen und die Umwelt künftig direkt Abstand nehmen.“
Durch den Wegfall der staatlichen Bürgschaften sind die Kredite hinfällig, die von den europäischen Banken für das Projekt gegeben wurden. Der türkischen Regierung fehlen damit ein wichtiger Teil der Finanzierung und die Technik der europäischen Firmen, die im Angesicht der Finanzkrise nicht so einfach zu ersetzen sein werden. Die Wirtschaftsleistung der Türkei ist kürzlich in einer Rekordhöhe von 13,8% zurückgegangen. Zudem haben die Nichtregierungsorganisationen bereits angekündigt, das Projekt weiter zu beobachten, so dass potenzielle Kreditgeber mit großem Widerstand rechnen müssen. Für die Kampagnen in der Türkei, die den Stopp des Projekts fordern, bedeutet dies neue Hoffnung.
„Unsere Bemühungen, die Kulturgüter und die Existenzgrundlage der Menschen im Tigristal zu schützen, gehen weiter und zwar in einem immer breiteren Bündnis“, erklärt Ercan Ayboga von der Initiative zur Rettung von Hasankeyf. „Die Regierung hat jede Legitimation in der Öffentlichkeit verloren, das Projekt umzusetzen. Dadurch haben wir zum ersten Mal die Chance, Ilisu tatsächlich zu stoppen.“
Seit 1998 versucht die türkische Regierung, das Projekt mit internationaler Beteiligung zu realisieren. Nachdem ein erster Anlauf 2002 an den ungelösten ökologischen und sozialen Problemen gescheitert war, vergaben die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz im März 2007 Exportbürgschaften. Da selbst nach ihrer Einschätzung das Projekt internationale Standards nicht erfüllte, machten sie rund 150 Auflagen in den Bereichen Umsiedlung, Umwelt, Kulturgüterschutz und grenzüberschreitende Auswirkungen. Nichtregierungsorganisationen hatten diese Auflagen als nicht ausreichend kritisiert. Insbesondere verwiesen sie darauf, dass sämtliche Auflagen, z.B. eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung und realistische Pläne für die Umsiedlung und den Kulturgüterschutz, die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung und eine Vereinbarung mit den Nachbarstaaten, erfüllt sein müssen, bevor eine Bürgschaftsentscheidung getroffen wird. Dennoch wurden von türkischer Seite nicht einmal die gestellten Auflagen erfüllt, so dass nun nachträglich die Bürgschaften gelöst wurden.
Heike Drillisch, GegenStrömung, 0177 – 345 26 11, heike.drillisch at gegenstoemung.org
Ercan Ayboga, Initiative zur Rettung von Hasankeyf, 0163-757 7847, e.ayboga at gmx.net