Von Christian Russau
Es ist fast elf Jahre her, dass der Dammbruch in der Mount Polley Mine die Welt schockte. Vergleichbar zu den späteren Tailing-Dammbrüchen bei Mariana und Brumadinho (beide in Minas Gerais, Brasilien, die 2025 bzw. 2019 brachen) steht der Mount-Polley-Dammbruch ganz oben auf der Liste der Umweltkatastrophen, die auch enorme soziale Auswirkungen auf die lokal vor Ort vom Fließgewässer abhängigen lebenden Gemeinschaften hat.
Es war der 4. August 2014 als der Damm brach. Rund 17 Millionen Kubikmeter Wasser zusammen mit 8 Millionen Kubikmeter von Restschlämmen aus der Bergbautätigkeit ergossen sich in den Polley Lake, den Hazeltine Creek und den Quesnel Lake. Der Tailing-Damm brach aufgrund eines geotechnischen Versagens einer Schicht aus Gletscherlehm in den Fundamenten unterhalb des Damms. Es dauerte Jahre bis das betroffene Fließgewässer wieder halbwegs intakt wurde, unter hohen sozialen Folgen für die lokalen Anwohner:innen wie Indigene First Nations, die vom und mit dem Fluss leben.
Dieser Tailing-Dammbruch in Mount Polley führte deutlich vor Augen, welche Umweltrisiken in den weltweit geschätzten 18.000 Tailing-Dämmen steckt, zumal deren Zahl nicht ab-, sondern zunimmt, da die Zahl der Bergbaubetriebe steigt. Hinzukommt, dass das Verhältnis von Abfall zu Erz tendenziell zunimmt und die Anfälligkeit derartiger Umgebungen für extreme hydrometeorologische Ereignisse in Zeiten des Klimawandels eher zunimmt, was das Bruchrisiko weiter erhöht.
Nun, fast elf jahre nach dem Dammbruch von Mount Polley hat die Staatsregierung von British Columbia der Betreiberfirma erlaut, in dem Minenkomplex von Mount Polley die Dämme der Tailing-Rückhaltebecken um weitere 4 Meter zu erhöhen.
Dagegen haben Mitglieder der indigenen Xatsull First Nation eine Klage beim Obersten Berichtshof von British Columbia eingereicht, das Hauptargument ist neben der Warnung vor der erhöten Bruchgefahr, dass es bei der Entscheidung versäumt wurde, die potentiell betroffenen Indigenen in die Debatte und Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Der Vertreter Xatsull First Nation, Chief Rhonda Phillips, erklärte Medienberichten zufolge, dass diese Entscheidung der Staatsregierung von British Columbia erfolgt sei, ohne eine Umweltforlgenüberprüfung durchzuführen. „Das Volk der Xatsull lebt seit undenklichen Zeiten in der heutigen Cariboo-Region von British Columbia“, sagte Phillips gegenüber Medien auf einer Pressekonferenz. „Wir waren schon immer dort, und unsere kontinuierliche Besiedlung dieses Landes muss respektiert und geehrt werden. Und hier geht es nicht nur um Xatsull. Es geht um alle First Nations, die mit ansehen mussten, wie Entscheidungen über unser Land ohne unsere Stimme getroffen wurden.“ Die Staatsregierung von B.C. sagte den Medien, sie könne sich nicht zu Angelegenheiten äußern, die vor Gericht verhandelt werden.
Der 2014 im Minenkomplex von Mount Polley gebrochene Tailing-Damm war nach der berüchtigen Upstream-Methode gebaut worden. Dieses „Upstream“-vVerfahren ist das bei weitem kostengünstigste, es ist aber eben auch das bruchanfälligste aller Tailingdammsysteme. Dann gibt es noch das „Center“-Verfahren und das „Downstream“-Verfahren. Das letzte, das „Downstream“-Verfahren, ist das teuerste, aber es ist das im Vergleich zu den anderen Verfahren das sicherste aller Tailing-Dammbau-Verfahren. Zur Erinnerung: die Statistik zu Dammbrüchen sagt, dass Tailingbrüche, also Brüche von Dämmen von Bergwerksdeponien, statistisch um den Faktor 10 häufiger brechen als Wasserkraftstaudämme (weswegen interessanterweise die International Commission on Large Dams (ICOLD) in ihrem 58.000 Staudämme umfassenden Register keine Dämme von Bergwerksdeponien aufnehmen mag, weil die ja dann die Statistik der Dammbrüche so verheerend aussehen lassen würden). Beim „Upstream“-Verfahren wird ein Damm errichtet, hinter diesen der Bergwerksschlamm gelagert, ist dieser dann nach einigen Jahren getrocknet, wird auf den Damm und einen Teil des dann (hoffentlich genügend) ausgetrockneten Materials ein neuer Damm errichtet, der dann wieder eine Schicht Schlamm aufnimmt. Dieser Prozess kann bis zu zehn Mal wiederholt werden, so dass es zu mehreren hundert Meter hohen Dammkonstruktionen kommen kann. Beim „Center“-Verfahren wird die Aufstockung jeweils auf dem Dammbereich vorgenommen, so dass das Erhöhungspotential ierbei deutlich geringer ist. Beim „Downstream“-Verfahren wird bergab die Dammerweiterung vorgenommen, was eine kosntante Ausweitung der in beschlag zu nehmenden Fläche und mithin mehr Kosten für die Betreiberfirma bedeutet. „Upstream““-Dämme sind beispielsweise in Chile seit Jahren verboten, Brasilien hat denach dem brumadinho-Dammbruch beschlossen, diese Dammart auszuphasieren, ein Prozess, der sich hinzieht und noch andauert.