Von Christian Russau
In den 1970er Jahren beschlossen die damaligen von Militärdiktaturen beherrschten Staaten Brasilien und Paraguay den Bau eines gigantischen Staudamms am Grenzfluss zwischen beiden Staaten, dem Rio Paraná, in der Nähe zur Grenze auch mit Argentinien: Itaipu. Bis zur Eröffnung des Drei-Schluchten-Staudamms war das Itaipu-Wasserkraftwerk das leistungsstärkste Wasserkraftwerk der Welt. Im Jahr 1973 unterzeichneten Stroessner und der brasilianische Diktator Emilio Garrastazú Medici den Vertrag von Itaipú, der den Bau des gemeinsamen Kraftwerks vorsah. Ab 1974 wurde gebaut, 1984 wurden die ersten Turbinen eröffnet. Etliche der Turbinen wurden von Siemens und der damaligen schweizer Brown, Boveri & Cie (BBC) hergestellt, und „mehr als die Hälfte der Maschinenausrüstung stammt von Voith“, schreibt die Firma aus Heidenheim noch heute stolz auf ihrer Webseite. Der Paraná wurde durch eine 196 Meter hohe Staumauer gestaut, das dadurch entstandene Reservoir flutete Urwaldflächen in der Größe von 1.350 Quadratkilometern.
In diesem Überflutungsgebiet lebten neben anderen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern auch 600 Avá-Guarani-Familien in ihren 38 sogenannten Tekoha, wie jede Gemeinschaft eines Guarani-Kulturraums genannt wird, der alle natürlichen Ressourcen sowie die politisch-religiöse Organisation des indigenen Volkes umfasst. Dieses von den Indigenen bewohnte und bewirtschaftete Gebiet wurde durch das Wasserkraftwerk zerstört. Die Entschädigungen, die ab 1981 an die indigene Bevölkerung gezahlt wurden, waren so gering, dass die betroffenen Familien (insgesamt wurden Schätzungen zufolge für den bau des Itaipu-Staudamms bis zu 40.000 Menschen zwangsumgesiedelt) nicht einmal einen Hektar Land von dem Land kaufen konnten. Der verbliebene Teil des Gebietes, der nicht von dem Staureservoir geflutet wurde, ist heute mit Sojaplantagen der Agrarindustrie oder von der Staudammbetreiberin Itaipu verwalteten biologischen Reservaten belegt. Dort kann Ökotourismus neben Agrobusiness betrieben werden, den damals zwangsumgesiedelten Indigenen blieb nichts. Der riesige Staudamm stellt zudem einen sehr schweren Eingriff in die Flussökologie des Paraná dar und zog das gesamte Flussbecken in Mitleidenschaft, da die natürlichen Fischmigrationen unterbrochen wurden, wie die Lateinamerika Nachrichten berichten. Zudem wurden atlantische Regenwälder überflutet und zerstört, die wieder aufgeforsteten Wälder erscheinen eher wie Plantagen und verfügen längst nicht über eine so große Biodiversität.
Nach Angaben der Betreiber des binationalen Staudamms Itaipu haben die Zahlung von Lizenzgebühren als Entschädigung für die Wasserkraftproduktion dem brasilianischen und paraguayischen Staat seit März 1985 mehr als 12,8 Milliarden US-Dollar eingebracht, von denen mehr als 3 Milliarden US-Dollar an die an das Kraftwerk angrenzenden lokalen Gemeinden gingen. Bei den Indigenen kam davon so gut wie nichts an.
Daran sollten die triumphalistischen Presseberichte erinnern, wenn sie nun schreiben, dass nach mehr als vier Jahrzehnten die Finanzierung für den Bau des Wasserkraftwerks Itaipu am 28. Februar abbezahlt sein werde, wenn die letzte Zahlung für das von der brasilianischen Regierung in den 1970er Jahren aufgenommene Darlehen getätigt wird. Das Kraftwerk wird 107 Millionen US-Dollar an die BNDES und 8 Millionen US-Dollar an Eletrobras zahlen. Der Schuldendienst der vergangenen vier Jahrzehnte machte fast zwei Drittel der jährlichen Kosten des Kraftwerks aus, d. h. 2,1 Milliarden US-Dollar von einem Budget von 3,3 Milliarden US-Dollar. Die Rückzahlung des Kredits hat bereits Raum für die Senkung des von der brasilianischen Verbraucher:in zu zahlenden Tarifs geschaffen, der im vergangenen Jahr von 22,60 US$/kW auf 18,97 US$ und im Januar dieses Jahres wieder auf 12,67 US$ gesunken ist. Und die zwangsumgesiedelten Indigenen und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern?