Stauwerk wurde errichtet in stark erdbebengefährdetem Gebiet.
Von Christian Russau
Im Bezirk Bezirk Dolakha in der nordöstlichen Provinz Bagmati, die an der Grenze zu China liegt, hat nun laut Presseberichten Nepals größtes Wasserkraftwerk seinen kommerziellen Betrieb aufgenommen. Spatenstich für das umstrittene Projekt erfolgte am 3. September 2011 vom damaligen Premierminister Jhalanath Khanal, eingeweiht wurde es am 5. Juli dieses Jahres. In der Zwischenzeit wurde das Wasserkraftwerk an ein neu errichtetes 220/132 KV-Umspannwerk angeschlossen. Dieses Umspannwerk Nyun Khimti befindet sich in Sankhe im Bezirk Ramechhap, 47 km vom Projekt entfernt, wohin der Strom mit einer 220er-Doppelleitung übertragen wird. Das Umspannwerk ist wiederum mit dem 400 KV-Umspannwerk in Dhalkebar verbunden und soll so weitere Teile des Himalaya-Landes mit Strom versorgen.
Das Projekt wurde 2011 entschieden, 2012 war Baubeginn und laut ursprünglichen Planungen hätte es bis Juli 2016 fertiggestellt werden. Doch dann kam das Erdbeben.
Es war mit 7,9 auf der Richterskala das schlimmste Erdbeben in der jüngeren Geschichte Nepals. Knapp 8.800 Menschen verloren infolge des Erdbeben vom 25. April 2015 und des Folgebebens mit 7,3 auf der Richterskala vom 12. Mai 2015 ihr Leben, mehr als 22.000 wurden verletzt, zehntausende waren obdachlos geworden und lebten monatelang in Zelten oder notdürftig zusammengeflickten Behausungen. Laut Daten der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA hatte sich in Nepal aufgrund des Erdbebens eine Landfläche von 120 mal 50 Kilometer um rund einen Meter gehoben.
Das Beben traf Nepals Energieversorgung ins Herz. Schäden gab es bei Überlandleitungen ebenso wie bei sehr vielen Staudämmen, die den Großteil der nepalesischen Stromproduktion zur Verfügung stellen. Allein 14 Staudämme meldeten nach dem Erdbeben Medienberichten zufolge Schäden. Nepals Energiebehörde Nepal Electric Authority teilte damals den Ausfall von rund 150 MW Nominalkapazität mit. Bei einer landesweiten Kapazität von rund 500 Megawatt (93 Prozent Nepals Strom stammt aus Wasserkraft – andere Quellen sprechen von 600 MW – ist dies ein so beträchtlicher Ausfall, so dass Indien kurzfristig 210 MW-Nominalkapazität zur Verfügung stellte, um das Defizit auszugleichen.
Auch betroffen war Nepals mit 456 MW künftig größter Staudamm1: Das Upper Tamakoshi Hydroelectric Project wird am Tamakoshi-Fluss in Lamabagar im Dolakha-Distrikt im Oberen Himalaya, rund 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Kathmandu und nur wenige Kilometer von der Grenze zu China (Tibet) gebaut. Upper Tamakoshi senkte sich den Presseberichten zufolge, ohne dass zunächst die Zahl spezifiziert wurde, später wurde die Zahl von 17 Zentimeter, um die sich die Staumauer gesenkt habe, kommuniziert. Die Ingenieursconsulting erfolgt durch ein Jointventure aus Norconsult und Lahmeyer International GmbH seit Januar 2011. Gebaut wurde der Damm von Sinohydro, die Baukosten haben sich gegenüber der ursprünglichen Planung von 35 Milliarden nepalesischen Rupien auf 85 Milliarden (umgerechnet ca. 600 Millionen Euro) inklusive Zinszahlungen mehr als verdoppelt.
Um Staudämme gegen Erdbeben abzusichern, bedarf es guter Ingenieursleistung – doch genauso stellt sich die Frage, welche Grenzen ihr gesetzt in einem stark Erdbeben gefährdeten Gebiet sind und ob der Bau in solch seismisch aktiven Zonen nicht zu sehr einem letztlich unkalkulierbarem Risiko ausgesetzt ist. Zumal es erste Untersuchungen gibt, die zeigen, dass Erdbeben – auch teils beträchtlicher Intensität – durch eben menschengebaute Staudämme erst ausgelöst werden: Es sei hier erinnert an den Konya-Staudamm in Maharashtra, Indien, und an den Zipingpu-Damm in China. Ersterer löste laut wissenschaftlichen Analysen 1967 ein Erdbeben von der Stärke von 6,3 auf der Richterskala hervor. 180 Menschen starben, tausende wurden obdachlos. Beim 760 MW-Zipingpu-Damm in China gab es am 12. Mai 2008 ein Erdbeben ganz in der Nähe des 2004 fertiggestellten Stauwerks ein Erdbeben, das erreichte nach den Angaben des United States Geological Survey eine Magnitude der Stärke 7,9. Auch hier wird von Wissenschaftler:innen vermutet, dass es sich um ein menschlich induziertes Erdbeben handeln könnte. 70.000 Menschen starben.
1Weitere, noch größere Staudammprojekte sind in Planung. Chinas Three Gorges Corporation hat Mitte 2015 die Verträge zum Bau eines 750 MW-Staudamms am West Seti-Fluss in Nordwest Nepal unterzeichnet.