Ein aktueller Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) hat alarmierende Erkenntnisse über den Einfluss der Wasserkraft auf die weltweiten Treibhausgasemissionen veröffentlicht. Während die Welt sich bemüht, ihre Emissionen zu senken und die Pariser Klimaziele zu erreichen, zeigt der Bericht, dass auf die Wasserkraft, die nach wie vor vielen als saubere Energiequelle galt, für die Erreichung dieser Ziele kein Verlass ist.
Laut dem Bericht stiegen die Emissionen aus der Energieerzeugung im Jahr 2023 um 1,1% im Vergleich zum Vorjahr und erreichten eine neue Rekordhöhe. Obwohl dieser Anstieg geringer ist als in den Jahren zuvor, ist er immer noch weit entfernt davon, mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang zu stehen – denn dafür müssten die Emissionen rapide sinken. Besonders brisant ist, dass ein Großteil dieses Anstiegs auf den weltweiten Ausfall von Wasserkraft zurückzuführen ist, der durch Dürren verursacht wurde. Denn obwohl Wasserkraft im Umfang von 20GW Kapazität an Wasserkraftwerken zugebaut wurde (zum Vergleich: ein modernes Atomkraftwerk hat eine Leistung von ca. 1,4GW), stand weniger Strom aus Wasserkraft zur Verfügung als im Vorjahr. Dies ist vor allem auf anhaltende Dürren in Regionen China, Südostasien, Indien und Nordamerika zurückzuführen. Dieser Ausfall wurde mit Strom aus fossilen Energien ersetzt. Die IEA geht davon aus, dass die Emissionen 2023 ohne diesen Effekt zurückgegangen wären.
Es ist allgemein bekannt, dass Dürreperioden durch die fortschreitende Erderhitzung in Zukunft häufiger und länger sein werden. Es wäre daher naiv zu glauben, dass nur Zufall zu den Ausfällen im letzten Jahr geführt hat und diese Situation sich nicht wiederholen wird.
Ein weiterer Bericht der IEA, der Clean Energy Market Monitor, erläutert, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien dafür sorgt, dass die Emissionen weniger stark ansteigen als zuvor. Die Technologie Wasserkraft findet darin nicht einmal Erwähnung. Offensichtlich gehen die Analyst*innen der IEA also nicht davon aus, dass Wasserkraft einen signifikanten Beitrag zur Emissionsreduktion leisten kann.
Die Auswirkungen des Wasserkraftausfalls sind nicht nur auf den Klimawandel beschränkt. Ein Blick auf die Situation in Ländern wie Sambia verdeutlicht, wie der Mangel an Wasserkraft die Lebensbedingungen der Menschen beeinträchtigen kann. Die aktuelle Dürre in Sambia führt zu einem erheblichen Ausfall der Stromproduktion, die zu ca. 90% auf Wasserkraft basiert. Kurzfristig hat die sambianische Regierung also nur die Wahl entweder, Mittel für den Stromimport aufzubringen oder Stromausfälle zu erleiden. Das Land befindet sich bereits in einer Schuldenrkise und die Dürre führt auch zu Ernteausfällen, sodass die humanitäre Situation sowieso schon angespannt ist, was durch weitere Stromausfälle noch verstärkt würde. Beide Optionen werden also weitere negative Folgen haben.
In Anbetracht dieser Entwicklungen stellt sich die Frage nach der Zuverlässigkeit der Wasserkraft als Energiequelle. Der Bericht der IEA zeigt, dass der Ausbau von Wasserkraftkapazitäten nicht zwangsläufig zu einer Steigerung der verfügbaren Strommenge führt. Gleichzeitig bleiben die ökologischen und sozialen Probleme, die mit der Wasserkraftnutzung verbunden sind, bestehen. Die Kosten-Nutzen-Rechnung verschiebt sich zunehmend zu Ungunsten der Wasserkraft.
Der Bau von Wasserkraftwerken von den ersten Planungen bis zur Inbetriebnahme dauert oft Jahrzehnte. Somit sind auch die Analysen der potentiellen Stromproduktion oft schon veraltet, bis es überhaupt zu Produktion kommt, da sie schon sichtbare und aufgrund neuester Daten vorhersehbare Auswirkungen des Klimawandels auf die Verfügbarkeit von Wasser nicht mit einbeziehen. Das Beispiel Sambia zeigt, zu welchen Dilematta eine Fehleinschätzung führen kann. Verantwortungsbewsusste Regierungen, Unternehmen und Finanziers sollten alle noch nicht abgeschlossenen Wasserkraftwerke vor diesem Hintergrund auf den Prüfstand stellen und abwägen, ob stattdessen nicht Investitionen in Solar- oder Windkraft oder in Energieeinsparungen sinnvoller wären.