Von Christian Russau, GegenStrömung
Am 21. März dieses Jahres haben sich 400 Anwohner*innen aus 20 Gemeinden am Namtu-Fluss im Norden Myanmars am Flussufer versammelt, um gegen den Bau des umstrittenen 308 Megawatt starken Upper Yeywa-Staudamm zu protestieren. Dies berichtete die Tageszeitung Myanmar Times in ihrer neuesten Ausgabe.
Einer der Protestierenden, den die Myanmar Times zitierte, eine Bäuerin aus dem Dorf Wan Talong, das 15 Kilometer von der im Bau befindlichen Talsperre entfernt liegt, sagte, dass der Damm die Häuser und Grundstücke von etwa 650 Menschen in ihrem Dorf sowie alte historische Stätten überfluten werde. Die Bäuerin Nann Lao Kham erklärte auf der Versammlung der Dorfbewohner*innen, die Regierung habe den Dorfbewohnern gesagt, dass sie ab 2014 ausziehen sollten, aber sie weigerten sich, da sie als Fischer und Landwirte auf die Ressourcen des Namtu-Flusses für ihren Lebensunterhalt angewiesen seien. „Wir wollen nicht aus unserem Dorf wegziehen. Der Boden neben dem Fluss ist sehr gut für die Landwirtschaft“, sagte Nann Lao Kham. Es gibt viele Bauernhöfe im Besitz der Dorfbewohner am Fluss. Einige der Dorfbewohner verdienen ihren Lebensunterhalt durch Fischfang im Fluss. „Der Damm wurde 2007 geplant. Wir wurden damals über den Bau des Dammes informiert und uns wurde gesagt, dass wir 2014 aus unserem Dorf weg sein müssten“, so die Kleinbäuerin Nann Lao Kham.
Es handelt sich bei dem Protest um den mittlerweile schon vierten Protest der Betroffenen, die sich gegen ihre Zwangsumsiedlung durch den Staudamm zur Wehr setzen. Im Jahr 2016 hatten die Betroffenen bereits drei Mal gegen den Staudammbau protestiert, wie das Burma Rivers Network berichtete.
Der Upper Yeywa-Staudamm im nördlichen Staat Shan in Myanmar wird ein 60 Kilometer langes Staureservoir schaffen und dabei die Ortschaft Hsipaw fluten, so dass an die 650 Menschen umgesiedelt werden müssten. Der Ort des Staudammbaus befindet sich rund 130 Kilometer flussaufwärts des bereits in Betrieb befindlichem Yeywa-Staudamms. Der Namtu-Fluss hat mehrere Namen, neben Namtu wird er auch oft Myitnge oder Dokhtawaddy River genannt, der einer der größten Zuflüsse des Ayeyarwady River (Irrawaddy River) ist. Hinzu kommt, dass in dem betroffenen Gebiet die Kyaukyan-Linie verlaufe, eine tektonische Bruchlinie, an der im Jahre 1912 das größte bisher in Myanmar gemessene Erdbeben geschah.
Gebaut wird der Staudamm im Auftrag der Myanmar Electric Power Enterprise, laut Presseberichten ist Zhejiang Orient Engineering als chinesische Staatsfirma ebenfalls an dem Bau beteiligt. Die Bau- und Zulieferleistungen erfolgen durch chinesische, schweizerische und deutsche Firmen. Toshibas chinesische Tochterfirma Toshiba Hydro Power mit Sitz in Hangzhou wird die vier Wasserkraftturbinen mit je 77 Megawatt Nominalleistung sowie Generatoren liefern. Aus Deutschland ist Lahmeyer als Ingenieursdienstleisterin beteiligt, dies gemeinsam mit der schweizerischen Firma Stucky.
Lahmeyer weist eine lange Erfahrung mit Staudammprojekten aus. „Lahmeyer International bietet als international führendes Ingenieurunternehmen ein breites Spektrum an Planungs- und Beratungsleistungen. Die Schwerpunkte unserer Leistungen liegen in komplexen Infrastrukturprojekten auf den Gebieten Energie, Wasser und Wasserkraft. Der Name Lahmeyer steht für Erfahrung, Qualität und internationale Kompetenz, die wir sowohl in Entwicklungs- und Schwellenländern Afrikas, Asiens und Südamerikas, als auch in Deutschland und Europa unter Beweis stellen. Bei der erfolgreichen Verwirklichung der Projektideen orientieren wir uns an deutschen und internationalen Qualitätsstandards.“
Lahmeyer war bisher in über 140 Ländern der Welt aktiv und unterhält derzeit in 40 Staaten Regionalbüros. Die Eigentümerschaft Lahmeyers wechselte seit den späten 1990er Jahren mehrmals, unter den jeweils anteiligen Besitzern fanden sich namhafte Größen wie RWE, Deutsche Bank und Dresdner Bank und seit Dezember 2014 gehört Lahmeyer zu Tractebel Engineering und ist damit Teil der ehemaligen GDF SUEZ Gruppe – heute ENGIE.
Lahmeyer ist seit Jahren Gegenstand der heftigen Kontroverse zwischen Menschenrechtsgruppen und dem Konzern. Die Ursache: Es ging um die Anweisung zur Flutung des sudanesischen Merowe-Staudamms, obwohl laut Aussagen der Menschenrechtsorganisationen die von der Flutung betroffenen Menschen nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden wären. Leitende Angestellte von Lahmeyers International GmbH aus Bad Vilbel in Hessen mussten sich vor deutschen Gerichten im Falle einer Strafanzeige, die das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Mai 2010 bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main einreichte, verteidigen. Das deutsche Unternehmen war beim Bau des Merowe-Staudammes eben als Bauleitung beteiligt – und hatte dadurch die Entschiedungsbefugnis, die Flutung der Region in die Tat umsetzen zu lassen. In der Strafanzeige wurde den beiden Mitarbeitern vorgeworfen, für die Überflutung von mehr als 30 Dörfern, für die Vertreibung von mehr als 4.700 Familien sowie die Zerstörung von deren Lebensgrundlage – Häuser und Ernten wurden ebenso vernichtet wie Nutztiere und sonstiges Hab und Gut – mitverantwortlich zu sein. Im April 2011 nahm die Staatsanwaltschaft Frankfurt Ermittlungen auf und hörte zunächst zahlreiche Zeuginnen und Zeugen. Ende April 2016 hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main das Ermittlungsverfahren gegen zwei Manager des Unternehmens Lahmeyer International GmbH aus Bad Vilbel (Hessen) eingestellt.
Derzeit liefert Wasserkraft rund 75 Prozent der installierten Stromleistung in Myanmar. Der Upper Yeywa-Staudamm soll bis zum Jahr 2018 fertig gestellt werden. Derweil plant Myanmar den Bau von mindestens fünf weiteren Staudämmen, um so durch zusätzliche 1.500 Megawatt installierte Leistung an Wasserkraftwerken die Gesamtkapazität Myanmars im Wasserkraftsektor um die Hälfte zu erhöhen.
Mehr Informationen zum weltweiten Geschäft mit der Wasserkraft, ihren ökologischen Folgen und den Verbindungen zu europäischen Konzernen finden sie in in unserer aktuellen Studie.