Mehrere hunderte Staudammgegner/innen haben Mitte Oktober im Zentrum von Santiago de Chile gegen das Wasserkraftprojekt Alto Maipo protestiert. Mit Transparenten und Sprechchören zogen sie durch die Innenstadt, berichten Medien. „Das Alto Maipo-Wasserkraftprojekt verschmutzt und leitet unsere Gewässer auf mehr als 70 Kilometern um, so dass die Täler austrocknen und die Wasserversorgung der dortigen örtlichen Gemeinschaften sowie von der Hauptstadtregion in Gefahr gebracht werden“, ließen die Demonstrant/innen erklären.
Dort wo das Wasserkraftwerk gebaut wird, befindet sich die Schlucht Cajón del Maipo, durch die der Fluss Maipo sich schlängelt. Das Tal und sein Fluss sind ein beliebtes Naherholungsgebiet für die nahen Hauptstädter/innen. Dort liegt auch der Nationalpark El Morado, dessen Gletscher und Vulkane viele Tourist/innen anzieht, von bis zu 1,6 Millionen Tourist/innen, die die Gegend im Jahr besuchen, spricht eine Umweltfolgenstudie zum Staudammprojekt. Im Tal selbst gibt es kleinbäuerliche Landwirtschaft. Doch auch für die Wasserversorgung der chilenischen Hauptstadt ist der Río Maipo wichtig: Die Trinkwasserversorgung des Ballungsraums um die Hauptstadt hängt von diesem Gebirgsfluss ab.
2013 war Baubeginn des Wasserkraftprojekts Alto Maipo. 531 MW sollen die Turbinen Kapazität haben, wenn sie in Zukunft unter Vollast operieren. Dabei wirbt die Firma, wie es unter Staudammbefürworter/innen seit einigen Jahren so wohlfeil und beliebt geworden ist, damit, das Wasserkraftwerk habe ja nur geringe Eingriffe in die Flusslandschaft, da es sich ja um ein sogenanntes Laufwasserkraftwerk handelt. Diese zeichen sich bautechnisch dadurch aus, dass Wasser des Flusses abgezweigt wird und nach Ausnutzung des natürlichen Gefälles neben dem eigentlichen Fusslauf das Wasser in das Turbinen- und Generatorenwerk fließe und dort die Energie erzeugt wird – ohne weitere Eingriffe in das Flusssystem. Ein Beispiel solcher sogenannter Laufwasserkraftwerke ist beispielsweise Belo Monte in Brasilien. Und eben dieses Beispiel macht klar, was solch Laufwasserkraftwerke dennoch für massive Eingriffe in die Flusslandschaft bedeuten können, denn bei Belo Monte wird saisonweise bis zu 80 Prozent des gesamten Flusswassers in das Reservoir abgeelitet, so dass die Große Flussschleife am Xingu-Fluss in Amazonien eben auch zu 80 Prozent trockengelegt wird, mit allen desaströsen Konsequenzen wie Austrocknung der Flussarme, Fischsterben, Anwohner/innen, denen die Nahrungsgrundlage und der Transportweg per Wasser abgeschnitten wurde und die nun zusätzlich unter Mosquitoplagen leiden, die in den stillstehenden Wasserrückständen bestens gedeihen. Ähnlich drastische Konsequenzen fürchten die Gegner/innen des Alto-Maipo-Wasserkraftprojekts. Denn das Wasser, das über insgesamt etwa 46,5 Kilometer lange Betonröhren zu den unterirdischen Kraftwerken Alfalfal II und Las Lajas geleitet wird, wo mit Turbinen elektrische Energie erzeugt wird, wird direkt an den Quellflüssen des Río Maipo – den Flüssen Volcán, Yeso und Colorado – abgezweigt werden, – die Bewohner/innen fürchten, dass zu viel Wasser abgezweigt wird und für die kleinbäuerliche Landwirtschaft und die Wasserversorgung Santiagos nicht genügend übrig bleiben wird. Die Firma bestreitet dies und verweist auf die Umweltfolgenstudie, die von einem betroffenen Gebiet von nur sechs Kilometer Länge ausgeht und dergestalt Santiagos Wasserversorgung nicht betroffen sein werde, so Medienberichte.
Dies sah ein Abschlussbericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission gleichwohl anders: Dieser erklärte das Alto-Maipo-Projekt zu einem Umweltrisiko für die dortigen geschützten Wälder und für die Wasserversorgung. Der Bericht warnte vor „irreversiblen Schäden des Maipo-Flussbeckens“ und sprach explizit von einer Gefährdung der Wasserversorgung von Santiagos sieben Millionen Einwohner/innen.
Alto Maipo ist mit einem geplanten Auftragsvolumen von rund 750 Millionen US-Dollar eines der größten privaten Bauvorhaben in Südamerika. Bauherr ist die Alto Maipo S.p.A., ein Tochterunternehmen des chilenischen Energieproduzenten und -netzbetreibers AES Gener und des US-amerikanischen Mutterkonzerns AES Corporation. Namhafte deutsche, österreichische und italienische Firmen und Banken sind auch an dem Projekt beteiligt, darunter federführend das deutsche Unternehmen VoithHydro. Das Joint Venture der Siemens AG (35 Prozent) und der Voith GmbH (65 Prozent) zeichnet für die komplette elektromechanische Ausrüstung des Vorhabens verantwortlich. Das heißt, die Turbinen und Generatoren werden von den brasilianischen und chilenischen Niederlassungen des Heidenheimer Konzerns gebaut. Dazu übernimmt der Konzern das gesamte Engineering, den Aufbau und die Inbetriebnahme des Kraftwerks. Doch auch die Finanzierung des Wasserkraftwerks kommt zum Teil aus Deutschland. Das Finanzkonsortium, das aus acht südamerikanischen, europäischen und internationalen Banken besteht, hat 60 Prozent der Baukosten als Kredite zugesagt. Insgesamt handelt es sich um einen Kredit über rund 1,2 Milliarden US-Dollar mit einer Laufzeit von 20 Jahren. Beteiligt an diesem Finanzkonsortium sind u.a. die Weltbanktochter International Finance Corporation und eine Tochter der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die KfW-IPEX-Bank.