GegenStrömung dokumentiert hier die Rede von Verena Glass (Übersetzung Christian Russau), die sie auf der Jahreshauptversammlung der Munich RE am 26. April 2017 in München gehalten hat.
ES GILT DAS GESPROCHENE WORT.
Vor zwei Jahren, im April 2015, waren wir vom Movimento Xingu Vivo para Sempre – das Widerstandsnetzwerk, das die vom Staudamm Belo Monte betroffene Bevölkerung vereint – hier auf Ihrer Aktionärsversammlung, um zum wiederholten Male auf die schwerwiegenden Probleme hinzuweisen, die dieser Staudamm in der Region hervorruft, – dieser Staudamm, der von der Münchener Rück versichert wird.
Damals haben wir von Xingu Vivo Sie auch direkt gefragt, wie die Firma auf Berichte reagiert, dass Belo Monte in den größten Korruptionsskandal der Geschichte Brasiliens verwickelt ist. Ihre damalige Antwort: Die Firma verfolge keine brasilianischen Presseberichte. Und deshalb hätten Sie keine Informationen darüber, inwiefern brasilianische Politiker, Firmen und Parteien Gelder bei Belo Monte für ihre Zwecke abgezweigt haben. Deshalb könnten Sie dazu nichts sagen.
Nun: Heute ist dieses Thema der Korruption um Belo Monte auch in der deutschen Presse bekannt, es wurde im SPIEGEL, in der ZEIT, in der FAZ und in der SÜDDEUTSCHEN gebracht. Sagen Sie noch immer: wir haben darüber keine Kenntnisse? Das wäre ja das Eingeständnis, dass Sie auch keine deutsche Presse lesen.
Schauen wir uns also den Korruptionsfall Belo Monte etwas genauer an: Laut Erkenntnissen der brasilianischen Bundespolizei und der Bundesstaatsanwaltschaft wurden beim Bau von Belo Monte 30 Millionen Reais abgezweigt für die Parteien und für die Politiker, die ab 2003 an der Regierung waren, also genau diejenigen, die die Betriebsgenehmigungen für Belo Monte politisch erteilt haben. Im Jahr 2015 hat die Firma Eletrobras, die Mehrheitseignerin von Belo Monte ist, ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben, um die Korruption beim Bau von Belo Monte zu untersuchen. Das Ergebnis: Die Korruption wurde bewiesen und die dazu gehörenden Vorwürfe ebenfalls. Ich frage Sie: Wurde diese Information an Sie weitergegeben?
Vier Mal waren wir schon hier und haben das Thema Staudamm Belo Monte angesprochen. Wir haben Sie darauf hingewiesen, wie der Staudamm das Leben von 40.000 Menschen zerstört hat, wie tausende Tonnen an Fischen starben im Rio Xingu, wie hunderte von Kleinfischern und Indigene ihren Lebensunterhalt verloren, und wie der Bau von Belo Monte laut Zahlen von Datasus, das dem brasilianischen Gesundheitsministerium unterstellt ist, für die höchste Gewaltrate ganz Brasiliens verantwortlich ist: mit dem Bau von Belo Monte sprang die Mordrate in Altamira auf 124 Ermordete je 100.000 Einwohner, dieser Wert liegt 37 Prozent über dem von Honduras, dem Land mit der höchsten Mordrate der Welt, laut Zahlen der UNO.
Jedes Mal, wenn wir Ihnen in den vergangenen vier Jahren dieses Panorama aufgezeigt haben, unterstellten Sie uns, wir würden übertreiben – denn die Münchener Rück habe von der Regierung und der für Belo Monte verantwortlichen Firma ganz andere Sachen gehört: diese würden dafür garantieren, dass die Rechte der Menschen und der Schutz der Umwelt auf jeden Fall vollkommen respektiert würden.
Jetzt, heute, in diesem Moment aber, sitzen aber viele dieser Personen jener Baufirmen, die Ihnen das zugesichert haben, nicht mehr auf ihren Jobs, sondern viele von denen sitzen im Gefängnis. Sie versuchen gerade alle ihre Haut zu retten, in dem Sie die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen, so kommt nun eins nach dem anderen ans Licht. Über wen sagen sie aus? Über die Politiker, die Minister, die Präsidenten Brasiliens, und wie viele von denen sich an Projekten wie Belo Monte, Jirau oder Santo Antonio persönlich bereichert haben. Erinnern wir uns, liebe Aktionäre. Belo Monte und Santo Antonio wurden beide von der Münchener Rück rückversichert.
Belo Monte ist das nationale und internationale Symbol für Umweltverbrechen geworden, für die Mißachtung der Rechte von Anwohnern wie Kleinfischern, Flussanwohnern und Indigenen, für Menschenrechtsverletzungen und für Korruption geworden.
Ich frage Sie: Was sagen Sie dazu? Wie bewerten Sie dies? Sehen Sie die Vorgänge um Belo Monte heute anders als vor 2 oder vier Jahren? Welche ethischen und umweltbezogenen Lehren haben Sie daraus gezogen? Inwiefern würden Sie heute sagen, dass ein Projekt wie Belo Monte ihren ethischen Kriterien nicht entspricht? Welche neuen Kriterien haben Sie erarbeitet, um so etwas wie Belo Monte für die Zukunft auszuschließen?
Jetzt gerade, seit wenigen Wochen hat Belo Monte übrigens keine Betriebsgenehmigung mehr, die wurde dem Staudamm entzogen. Die Bundesjustiz hat dieses Urteil gefällt. Die Begründung: erst müsse endlich das Abwässersystem in Altamira fertig gestellt werden. Denn dies hätte von der für Belo Monte verantwortlichen Firma bereits 2011 fertig gestellt werden müssen. Dies war eine der Vorbedingungen, damit der Bau eigentlich erst dann hätte beginnen dürfen. Ich frage Sie: Hat der derzeitige Baustopp Auswirkungen auf Ihren Vertrag der Versicherung und Rückversicherung? Ich frage Sie, verlieren Sie gerade oder gewinnen Sie gerade Geld durch den Baustopp? Oder hat das keine Relevanz für Ihren Vertrag? Verlieren Sie gerade Geld oder verdienen Sie gerade Geld an dem Elend der Menschen vom Rio Xingu, die durch den Staudamm Belo Monte ihr Lebensumfeld verloren haben? Die nun am Stadtrand von Altamira leben, umgeben von der Kloake aus Abwässern der Stadt und der Industrie, die nun nicht mehr im Xingu abfließt, sondern von den Staumauern gestaut wird und in Altamira stinkend und giftig herumwabert?
Ich möchte meine Rede beschließen mit dem Hinweis, dass wir es bedauern, noch einmal gezwungen zu sein, hierher zu kommen, zum mittlerweile fünften Mal. Seit 2013 ignorieren Sie unsere Hinweise und Kritik. Wir wissen, dass die bis in die Ohren in Korruption steckende Regierung Brasiliens weitere Staudammprojekte in Amazonien plant. Ich frage Sie also: Planen Sie, bei weiteren Staudammprojekten in Amazonien als Versicherer oder Rückversicherer wieder dabei zu sein, und frage Sie, ob Ihre Aktionäre damit wohl einverstanden sein werden?
Vielen Dank!
Mehr Informationen zum weltweiten Geschäft mit der Wasserkraft, ihren ökologischen Folgen und den Verbindungen zu europäischen Konzernen finden sie in in unserer aktuellen Studie.