Entgegen vorherigen Aussagen scheint Vale am Bergbau in Indigenen Territorien doch weiter festhalten zu wollen.
Recherchen der brasilianischen Seite von „The Intercept“ legen nahe, dass der brasilianische Bergbaukonzern Vale entgegen Aussagen auf der Aktionärsversammlung vom 30. April dieses Jahres doch weiterhin auf künftigen Bergbau in indgenen Territorien in Brasilien setzen würde.
Am Donnerstag, dem 30. April 2020 (GegenStrömung berichtete), hatte in Brasilien die alljährliche Hauptversammlung des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale stattgefunden. Dort haben, wie seit 2010 jedes Jahr, Menschenrechtsaktivist:innen des internationalen Netzwerks der von Vale Betroffenen (Articulação Internacional dos Atingidos e Atingidas pela Vale – AIAAV) durch den Kauf einer Aktie das dortige Rede- und Stimmrecht erlangt, das sie nutzen, um den Konzernvorstand direkte Fragen zu stellen und die allfällige Kritik am Konzerngebaren direkt ins „Herz der Bestie“ zu tragen. Eines der vielen heiklen Themen, das die Aktivist:innen ansprachen, betraf die Fragen der von der rechtsextremen Regierung Bolsonaro angestrebten wirtschaftlichen Öffnung der indigenen Territorien für Bergbau und welche Position Vale diesbezüglich einzunehmen gedenke. Schließlich hält allein Vale hunderte an Schürf- und Förderanträgen und -lizenzen auf künftigen Bergbau in den eigentlich geschützten Gebieten.
Die damalige Antwort des Firmendirektors von Vale, Luciano Siani, auf die Fragen des Rechtsanwalts Danilo Chammas, Menschenrechtsverteidiger Articulação Internacional dos Atingidos e Atingidas pela Vale, der seit 2010 mit einer Aktie auf die Jahreshauptversammlung der Vale geht und dort den Konzernvorstand kritischen Fragen aussetzt, war diesmal aber unmißverständlich: „Wir haben nicht die geringste Absicht, Bergbau in indigenen Territorien zu betreiben.“ Doch was ist mit den hunderten Anträgen auf Förderlizenzen, die die Vale innehält allein für indigenen Territorien? „Wir werden diese Anträge zurückziehen“, so der Vale-Chef laut einem Medienbericht beim Internetportal Terra über den auch GegenStrömung berichtete. Und auf der eigenen Webseite ließ Vale erklären, „dass es keine Mineralienforschung oder Bergbautätigkeiten irgendwelcher Art in indigenen Ländern in Brasilien durchführt, unabhängig davon, ob es sich um Bergbautitel oder Erwartungen des Gesetzes handelt, und dass es die geltende Gesetzgebung strikt einhält. Vale gibt auch an, dass in seinem Produktionsplan Mineralressourcen oder Mineralreserven in indigenen Ländern in Brasilien nicht berücksichtigt werden, und aus diesem Grund hat der neue Gesetzesentwurf keine Auswirkungen auf unser Geschäft.“ Mit dem neuen Gesetzesentwurf meint Vale das von der Bolsonaroregierung in den Kongress eingebrachte Gesetzesvorhaben Lei 191/2020 zur künftigen Ausbeutung indigener Territorien in Brasilien durch Bergbau. Das klang, zum ersten Mal, als ein klares „Nein“ von Vale nicht nur zu Bergbau in indigenen Territorien, nicht nur in Amazonien, sondern in indigenen Territorien in ganz Brasilien. In der Tat ein Fortschritt, ein kleiner zwar, vergegenwärtigt man sich die ganze Palette an Umweltschäden und sozialen Konsequenzen des Megabergbaus, den eine Firma wie Vale in Brasilien und weltweit verursacht, aber immerhin ein Schritt, ein Schritt, der dazu beitragen könnte, indigene Territorien, die in Brasilien unter Bolsonaro mehr denn je unter Druck stehen, zu schützen.
Mit dieser damaligen öffentlichen Erklärung hatte der zweite international agierende Großkonzern ein verbales „Nein“ zu künftigen Bergbauaktivitäten in indigenen Territorien in Brasilien abgegeben. Das erste verbale „Nein“ war als Twitter-Antwort von Siemens gekommen, auf den im August 2019 vom Dachverband der Kritischen Aktionär:innen und 21 weiteren deutschen Nichtregierungsorganisationen gesandten offenen Brief, der neben Siemens auch an Thyssenkrupp gerichtet worden war, in dem die Organisationen von Thyssenkrupp und Siemens forderten: „Erklären Sie öffentlich, dass Ihr Unternehmen keine Zulieferungen von Maschinen oder Dienstleistungen für den in Brasilien drohenden Bergbau in indigenen Territorien zur Verfügung stellen wird!“
Thyssenkrupp berief sich in ihrer Antwort im August 2019 reichlich nichtssagend auf allgemeine Bekenntnisse zu Menschenrechten: „Thyssenkrupp bekennt sich eindeutig zu Nachhaltigkeit und verantwortlichem Wirtschaften. Klima- und Umweltschutz sowie die Achtung der Menschenrechte sind integraler Bestandteil unserer Unternehmenswerte, wie wir in unserem Verhaltenskodex und durch unser Bekenntnis zum Global Compact der Vereinten Nationen dargestellt haben.“ Siemens, zuerst über den Twitter-Account der Siemens-Presseabteilung, dann auch in schriftlicher Antwort an die Initiator:innen des Briefs und dann auch dokumentiert anlässlich der diesbezüglichen Nachfrage des Business and Human Rights Center in Großbritannien, war da schon ein wenig deutlicher: „Wir haben aktuell & planen auch künftig keine Geschäftsaktivitäten in indigenen Gebieten, in denen die brasilianische Regierung plant, Bergbauaktivitäten zu erlauben. Die Achtung der Menschenrechte ist zentraler Grundsatz bei Siemens, weltweit.“
Nun aber, so berichtet Hyury Potter in seiner Recherche für den brasilianischen Ableger der Investigativrechercheseite „The Intercept“, dass das „Nein“ von Vale offensichtlich nicht so gemeint war oder eben nur anders interpretiert wird. Denn Vale habe zum einen – nicht wie auf der Aktionärsversammlung angegeben 71 Lizenzanträge auf Bergbau-Exploration in indigenen Territorien – laut Auskünften über das brasilianische Informationsfreiheitsgesetz 236 solcher Explorations- und Förderanträge auf Bergbau in indigenen Territorien in Brasilien. Und die Recherchen von „The Intercept“ ergaben, dass noch immer kein einziger der Anräge von der Firma, wie auf der Aktionärsversammlung eigentlich versprochen, zurückgezogen wurde. Aber mehr noch: In Brasilien verbietet die Verfassung den Bergbau in Indigenen Territorien. Deshalb hat die Bundesstaatsanwaltschaft bereits Ende 2019 acht Klagen gegen die Nationale Bergbaubehörde eingereicht, um den Schutz von 48 Indigenen Territorien zu erreichen, für die bislang Anträge auf Bergbauexploration und -förderung vorliegen. Und was macht Vale laut „The Intercept“? Vale bat die Bundesjustiz , in den acht Klagen als „Assistenz der Angeklagten“ am Prozess mitwirken zu dürfen, da sie selbst von dem Antrag der Bundesstaatsanwaltschaft betroffen sei, habe sie doch in einigen der entsprechenden Gebiete Projektanträge auf Bergbau am Laufen. Die Bundesjustiz lehnte diesen Antrag Vales ab, gleichwohl beibt die Frage, verfolgt Vale nun weiter die Politik der geplanten Schürfungen und Exploration in Indigenen Territorien oder nicht?
Hyury Potter von „The Intercept“ richtete zwei Anfragen an Vale. Die erste wurde am 18. Mai von Vale beantwortet, die Firma befände sich im Prozess der Neubewertung des Bergbauaktivitätenportfolios, dies beträfe auch in Teilen indigene Terrirtorien, einige der Anträge bezögen sich gar auf komplette Territorien. Im Juni, so berichtet „The Intercept“, habe Vale dann ihren Diskurs geändert. Vale habe ihm geantwortet, die Firma besässe 76 Anträge auf Explorationslizenzen in Indigenen Territorien, beantwortete nicht die Frage, warum Vale versicht habe, als „Assistenz der angeklagten“ Bergbauagentur im Bundesprozess beteiligt zu werden und liess zudem die grundsätzliche Frage offen, ob die Firma Vale in Zukunft an Berbprojekten in Indigenen Territorien festhalten werde oder wie auf der Aktionärsversammlung zugesagt, sich aus solchem zurückziehen werde. Die Firma habe, so „The Intercept“ geantwortet, „es liegt am brasilianischen Nationalkongress, diese Aktivitäten zu regelmentieren“. „The Intercept“ wies auch darauf hin, dass die auf der Aktionärsversammlung getätigte Aussage über den Rückzug Vales von allen Berbauanträgen in Indigenen Territorien zwar dort mündlich getroffen und von der Presse konform berichtet wurde, aber merkwürdigerweise nicht im offiziellen Sitzungsprotokoll der Aktionärsversammlung auftauchte.