Afrikabeauftragter der Bundesregierung träumt von „grünem“ Stromexport, der gar nicht so grün ist.
Günter Nooke ist Afrikabeauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Nooke hat sich während dieser Amtszeit schon einiges geleistet: 2019 hatte er einer Afrikanistin, die ihn kritisierte, mit dem Verlust ihrer Stelle gedroht, Forscher:innen warfen ihm daraufhin vor, er wolle Kritiker:innen mundtot machen. Im ZDF-„Morgenmagazin“ hatte Nooke gesagt, dass „in afrikanischen Staaten in gewissem Sinne auch autoritärer regiert werden muss.“ Im „Stern“ wird Nooke zitiert mit: „Afrika ist anders“, wegen „Clan-Strukturen“, der „Rolle von Stammesführern“ und der „Vielzahl an Ethnien und tradierten Verhaltensweisen“. Nooke tätigte auch Äußerungen wie diese: „Der Kalte Krieg hat Afrika mehr geschadet als die Kolonialzeit“, so Nooke in der „B.Z.“. Außerdem habe der Kolonialismus „dazu beigetragen, den Kontinent aus archaischen Strukturen zu lösen“. Daraufhin forderten namhafter Afrikanist:innen in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin dessen Rücktritt, sie warfen Nooke im November 2018 vor, er verbreite „koloniale Stereotypen“ und „rassistische Untertöne“. Nookes „kolonialrevisionistischen Äußerungen“ seien inakzpetabel. Nooke müsse gehen. Im Februar 2019 kam es zu einem Gespräch im BMZ, in dem Drohungen gegen die kritischen Wissenschaftler:innen ausgesprochen worden sein sollen: „Schon während des Gesprächs wurde suggeriert, wir Wissenschaftler ohne feste Stellen sollten aufpassen, was wir sagen“.
Doch nichts passierte. Nooke ist noch immer Afrikabeauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Nun hat Günter Nooke am 14. Juli 2020 auf seiner Webseite seine neueste Idee verraten. Nooke erklärt über den in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) in Planung befindlichen Großstaudamm INGA 3, diesen mit der Produktion von Wasserstoff zu koppeln. Nooke führt aus: „Offensichtlich war Günter Nooke der erste, der auf die Idee kam, den überschüssigen Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zu nutzen.“
Die Mitteilung in voller Länge:
„Am 12. Juni 2020 reiste Günter Nooke, Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin, nach Leipzig, um an einer Besprechung zur Gründung einer Arbeitsgruppe zum Thema INGA 3 und Wasserstoffproduktion in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) teilzunehmen.
INGA 3 ist ein geplantes Wasserkraftwerk in der DRC mit einem Potenzial von 11.500 MW. Der verfügbare Strom liegt damit weit über dem Energiebedarf der gesamten Region. Genau deshalb ist eine Finanzierung bisher immer gescheitert. Kleinere Baustufen sind wesentlich kostenintensiver je MW. Die Umwelt- und Sozialverträglichkeit wird auch bei dem größeren Vorhaben als sehr hoch ei[n]geschätzt, muss aber noch genauer untersucht werden.
Offensichtlich war Günter Nooke der erste, der auf die Idee kam, den überschüssigen Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zu nutzen. Dieser Wasserstoff könnte die Nachfrage in Europa zu einem sehr niedrigen Preis bedienen. Gleichzeitig wird Inga III zur Industrialisierung der DRC und der ganzen Region beitragen.
Initiiert wurde die Besprechung durch Dr. Gernot Wagner, ehemaliger Honorarkonsul der Demokratischen Republik Kongo und Inhaber der Firma evagor GmbH. Teilgenommen haben auch Siemens, Linde, VN Gas, die Deutsche Bank, andere Firmen, Vertreter von Mittelstandsvereinigungen und der kongolesische Botschafter.
DRC-Präsident Félix Tshisekedi ist sehr daran interessiert, solch ein Projekt mit internationalen Unternehmen, vor allem deutschen Wasserstoffunternehmen, zu verwirklichen. Bei der Stromerzeugung kann auf die Studien und Vorleistungen der Weltbank, europäischer sowie chinesischer Firmen aufgebaut werden. Nooke plant eine Reise in die Demokratische Republik Kongo, um dort die angebotenen Gespräche zum weiteren Vorantreiben des Projektes zu nutzen.“
Nooke behauptet: „Die Umwelt- und Sozialverträglichkeit wird auch bei dem größeren Vorhaben als sehr hoch ei[n]geschätzt, muss aber noch genauer untersucht werden.“ Er liefert aber keine Belege für die Umwelt- und Sozialverträglichkeit des Staudamms. Er erwähnt nur eine „Einschätzung“, ohne die Quelle dieser „Einschätzung“ zu nennen und führt dann gleich noch aus, das „muss aber noch genauer untersucht werden“. Salopp darüber hinweggehend erklärt Nooke, der von INGA 3 dann produzierte „Wasserstoff könnte die Nachfrage in Europa zu einem sehr niedrigen Preis bedienen“.
Was bedeutet INGA denn nun wirklich, jenseits aller nicht-zitierten „Einschätzungen“?
Das Inga-3-Projekt ist Teil eines 50- bis 80-Milliarden-Dollar-Programms zur Erweiterung von Staudämmen entlang des Kongos, hat sich jedoch immer wieder durch Bürokratie und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Demokratischen Republik Kongo und ihren Partnern verzögert. Inga 3 wäre mit den mittlerweile geplanten 4.800 Megawatt das größte Wasserkraftwerk in der gesamten Sub-Sahara-Region (zuvor war die Rede von 11,5 GW, eine Zahl, die auch Nooke ins Felde führt). Würde die geplante Staustufe von Inga 3 (4.800 MW Nominalleistung) mit denen der beiden weiteren, bereits bestehenden Staustufen Inga 1 (351 MW Nominalleistung) und Inga 2 (1.424 MW Nominalleistung) zusammengerechnet, wären die kumulativen 6.575 MW größer als der derzeit im fortgeschrittenen Bau befindliche Staudamm der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre in Äthiopien, die demnächst den Titel des größten Staudamms Afrikas für sich beanspruchen will.
Das von der DR Kongo geplante „Grand Inga“-Wasserkraftprojekt soll insgesamt bis zu acht Staustufen haben, deren Wasserkraftanlagen zusammengerechnet eine Nominalkapazität von rund 44 GW hätten und zusammengerechnet 80 Milliarden US-Dollar kosten sollen. Inga wäre damit, sollte es realisiert werden, das größte Wasserkraftwerk der Welt. (GegenStrömung berichtete hier und hier)
Anwohner:innen und Fischer:innen berichten von Rückgängen der Fischpopulationen bereits bei INGA 1 und INGA 2. Mit INGA 3 würde sich dieses Problem noch verschärfen. Die Nichtregierungsorganisation International Rivers fürchtet, dass durch den Bau der Wasserkraftwerke die reiche Biodiversität der Region gefährdet wird, dass die Rolle des Fluss Kongo als einem der weltgrößten natürlichen Mechanismen zur CO2-Versenkung durch Sedimentfracht in den Atlantik in Gefahr gerät und dass die vom Bau betroffenen lokalen Gemeinschaften in ihrem natürlichen Lebens- und Arbeitsumfeld bedroht werden. Kritiker:innen monieren zudem, dass der Strom ja gar nicht den bedürftigen Menschen zugute käme, sondern größtenteils im energieintensiven Bergbau genutzt und sowie größtenteils ins Ausland exportiert werde. Sollte die in INGA3 gewonnene Wasserkraft in Wasserstoff gespeichert werden, dann wäre der vermeintlich „grüne“ Energieträger Wasserstoff bei seiner späteren, von Nooke angestrebten Vernutzung in Deutschland mitverantwortlich für die Zerstörung der Biodiversität am Kongo-Fluss.