Staudamm Sobradinho speichert wegen anhaltender Dürre mehr Wasser und bedroht so die Wasserversorgung der Flussanwohner

Von Christian Russau

Brasiliens Nordosten leidet unter der seit Jahrzehnten schärfsten Dürre. Der Rio São Francisco führt immer weniger Wasser, so dass die Betreiber des Staudamm Sobradinhos mehr und mehr des verbliebenen Wassers im Stausee zurückhalten. Dies bedroht aber zunehmend die Wasserversorgung der flussabwärts lebenden Flussanwohner, wie die Tageszeitung O Globo berichtet. Wo wie in der Region um die Stadt Penedo, in der Nähe der Mündung des wichtigesten Flusses Nordostbrasiliens in den Atlantik, noch vor wenigen Jahren vier Meter Wasserstand gemessen wurden, erstreckt sich laut der Reportage von O Globo derzeit nur Schlamm. Hinzu kommt ein steigender Salzgehalt des Wassers, der die Grenze zu für Menschen noch Genießbaren derzeit am überschreiten ist. Dies liegt auch daran, dass das Meerwasser wegen des niedrigen Flusswasserlaufs mittlerweile bis zu 15 Kilometer ins Landesinnere vordringe. Der lokale Wasserversorger der Stadt Piaçabuçu musste deswegen bereits tiefere Brunnen bohren, um das Wasser hervorzufördern, doch trotzdem bleiben mehr und mehr Haushalte von der Wasserversorgung abgeschnitten, da nicht genug Wasser gefördert wird.
Die Quelle des Rio São Francisco, Lebensader des brasilianischen Nordostens, von den Anwohner/innen liebevoll velho chico genannt, war im September 2014 zum ersten Mal seit Menschengedenken ausgetrocknet. Ein Jahr später, im September 2015, traf es weitere Zuflüsse des Rio São Francisco, den Rio Jequitaí, Guavinipã, São Domingos, Juramento und den Córrego do Onça. Im November 2015 erreichte der vom Rio São Francisco gespeist Stausee Sobradinho im Bundesstaat Bahia seinen historischen Tiefststand: 3 Prozent des Fassungsvermögens von 34 Milliarden Kubikmetern bei Vollstauhöhe, die Stromproduktion im Wasserkraftwerk musste temporär eingestellt werden. Im Bundesstaat Rio Grande do Norte tauchten 2015 im Stausee Armando Ribeiro Gonçalves die Reste der Kirche des vor über 30 Jahres für den Stausee gefluteten Ortes São Rafael zum ersten Mal sichtbar über der verbliebenen Wasseroberfläche auf – in den Medien als Atlantis des Sertão bezeichnet.
Einem brasilianischen Hydrologen der Nasa, Augusto Getirana, zufolge hat der brasilianische Nordosten zwischen 2002 und 2015 jährlich 49 Billionen Liter Wasser verloren.
Als Grundlage seiner Forschung nahm Getirana die Daten der Nasa-Satelliten des Systems Gravity Recovery and Climate Experiment (GRACE). Diese zwei parallel geschalteten Satelliten messen das Gravitationsfeld der Erde. Änderungen im Gravitationsfeld werden durch Bewegungen von großen Massen an Eis oder Wasser ausgelöst, inklusive der im Untergrund gespeicherten Wassermengen, so dass die Änderungen in der Gravitation rechnerische Rückschlüsse zu ließen über die lokalen Zu- oder Abnahmen der jeweiligen Wassermengen, wie die Nasa mitteilte. Die Studienergebnisse wurden im Journal of Hydrometeorology veröffentlicht. Augusto Getirana erläuterte, dass der Ansatz seiner Studie nicht die Erforschung der Ursachen sei. Dazu gebe es bereits umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Theorien wie die Fliegende Flüsse Amazoniens, den Klimawandel  oder andere Phänomene, so dass in dieser Hinsicht noch weiter geforscht werden müsse. Sein Ziel sei es hingegen gewesen, erstmals belastbare Zahlen für Wasserschwund in der Region zu finden.