Weltbank-„Vorzeige“-Projekt Nam Theun 2 in Laos: für die Zwangsumgesiedelten „ein schlechter Deal“
Nam Theun 2 in Laos sollte der ‚Scheidepunkt hin zum Besseren‘ im Staudammbusiness der Weltbank werden – so das vollmundige Versprechen Mitte der 00er Jahre, als die Planung und ersten Bauarbeiten begannen und die Notwendigkeit der Zwangsumsiedlung von Menschen öffentlich eingestanden wurde, dies aber als ‚kleineres Übel‘ im Gegensatz zu den ‚Vorteilen‘, die der Dammbau für die Region versprach, ansah und den Betroffenen ein ‚fairer Deal‘ versprochen wurde. 2017 wurde der Bau fertiggestellt, zwei Jahre später ist das Bild äußerst ernüchternd. Und die Betroffenen: sind extrem wütend.
Laotische Dorfbewohner*innen, die vor 10 Jahren per Regierungsanweisung von zu Hause weggezogen wurden, um Platz für ein ‚vorbildliches‘ Wasserkraftprojekt zu schaffen, haben zwar neue Häuser, Schulen und Kliniken in ihren Umsiedlungsgebieten erhalten, so ein neuer Pressebericht bei RFA, aber die Betroffenen haben noch immer keinen Zugang zu den ihnen versprochenen Fischereigründen oder ausreichendem Land für die Landwirtschaft, um ihren Lebensunterhalt damit decken zu können, so der Pressebericht.
Am 29. März sagte der Minister für Energie und Bergbau, Kham Many Intharath, großmundig, dass die Anwohner nun über alle notwendigen Einrichtungen verfügten, und ein Bezirksbeamter fügte hinzu, dass „Schulen, Kliniken, Wasserversorgung und Straßen, die ihre Dörfer verbinden, ihr Leben besser gemacht haben als zuvor“.
Was der Minister nicht erwähnte: Die durch den Damm betroffenen und zwangsumgesiedelten Bewohner*innen wurden ohne Arbeit zurückgelassen und sind immer noch arm, wie ein Sprecher der umgesiedelten Dorfbewohner*innen gegenüber dem Lao-Service der RFA am 30. März erklärte. „Wir haben keine Arbeitsplätze, kein Einkommen und kein Land für die Landwirtschaft“, sagte der Sprecher des Dorfes. „Die Regierung sagte, sie würden uns diese Dinge zur Verfügung stellen, aber bisher haben wir nichts gesehen.“
„Sie haben nur geredet“, sagte er.
Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für extreme Armut und Menschenrechte, Phillip Alston, sagte in einem Interview mit RFA am 29. März in Bangkok, einen Tag nachdem er eine 11-tägige Tour durch Laos beendet hatte: „Die Regierung muss die Bedingungen, unter denen die Umsiedlung stattfindet, radikal verbessern“. Und er ergänzte: „Was ich immer wieder gesehen habe, ist, dass die Menschen, die umgesiedelt wurden, einen umfassend schlechten Deal bekommen. Sie werden an Orte verlegt, die sehr unbefriedigend sind“, sagte Alston. „Sie erhalten Land, das ihnen keinen Lebensunterhalt sichert“, sagte er.
Im Jahr 2005 hatte die Weltbanktochter MIGA die Förderung für das 1.075 MW Staudammprojekt öffentlich erklärt; zunächst bewilligte sie neun Millionen US-Dollar zur Versicherung politischer Risiken, später ergänzte die MIGA die Teilversicherung um 50 Millionen US-Dollar und die Weltbanktochter International Development Association (IDA) gab einen Kredit über weitere 20 Millionen US-Dollar. Hauptkreditgeber war die belgische Fortis Bank NV. Daneben sind Electricité de France International (EDFI), Australia and New Zealand Banking Group Limited, BNP Paribas, The Bank of Tokyo-Mitsubishi Ltd., Crédit Agricole Indosuez, ING Bank N.V., KBC Bank N.V., Société Générale Asia Limited, Standard Chartered Bank sowie die Asian Development Bank beteiligt.
Die Mekong-Region eignet sich nach Ansicht der Regierungen der Region sowie nach Meinung der Firmen und Institutionen wie der Weltbank sehr für Stromgewinnung durch Wasserkraft, daher ist das Mekong-Einzugsgebiet derzeit einer der hot-spots des weltweiten Staudammbusiness. Beim Nam Theum 2-Damm wird das Wasser des Nam Theun-Flusses – einem Zufluss des Mekong – umgeleitet in den Xe Bang Fai Fluss. Dort wird bei einem Gefälle von 350 Meter ein 1.070 Megawatt-Wasserkraftwerk mit Staumauer und -see errichtet. Von der Weltbank wird dieser Damm als „Modell-Investment“ im Staudammgeschäft stilisiert.
Früh war vor den Folgen gewarnt worden. Die Weltbank reagierte und versprach, alles dergestalt in die Wege zu leiten, dass bei den Umsiedlungen auf die Achtung der Rechte der Betroffenen und darauf, dass sie keine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen erlitten, besonderen Wert gelegt werde, auch werde der Umwelt und Natur möglichst geringer Schaden zugefügt, so die Weltbank.
Damals erklärten sich dann mehrere Nichtregierungsorganisationen bereit, bei der Umsiedlung der betroffenen 6.000 Menschen an den südlichen Rand des neuen Stausees begleitend mitzuwirken. In dem neuen Wohngebiet sollten die communities gemeinschaftliche Agroforstwirtschaftspraktiken anwenden, um ihr Auskommen zu sichern. Was wurde daraus?
Diese Frage hatten bereits im vergangenen Jahr die Feldforschungen von Wissenschaftler*innen vor Ort beantwortet. Die Autor*innen des Buchs “Dead in the Water: Global Lessons from the World Bank’s Model Hydropower Project in Laos” und die Nichtregierungsorganisation International Rivers haben die Situation vor Ort analysiert und beklagten massive Verschlechterung der Situation für Mensch und Natur vor Ort.
Der Stausee überflutete Ackerland, was bedeutete, dass ein großer Teil des Viehbestands der Gemeinde bald verhungerte und die Menschen nicht mehr auf deren Erträge rechnen konnten. Der Verein, der den Wald gemeinschaftlicht bewirtschaftete, fiel größtenteils auseinander, dem lokalen Sägewerk droht chronisch die Schließung. All dies war nicht überraschend für Glenn Hunt, den das Internetportal Devex zum Fall Nam Theun 2 interviewte. Hunt hat zuvor jahrelang in der Region gearbeitet und eine frühe Bewertung des sozialen Entwicklungsplans des Projekts durchgeführt. Die Gemeinschaftsforstwirtschaft habe in Laos nie funktioniert, sagte er, und bei diesem dieses Experiment war es nicht anders: „Für eine der Säulen, die die Haupteinnahmequelle sein sollte, war es eine totale Katastrophe.“
Die Bewohner*nnen wurden in neue Häuser umgesiedelt, die zwar nun über neue Straßen zugänglich sind, und die Weltbank feierte die neu dort hingebauten Kliniken, Toiletten, die Elektrizität und die Wasserpumpen. Aber ohne Einkommen, das das wirtschaftliche Überleben der Gemeinden garantiert, was sollen die Bewohnerinnen und Bewohner tun? Da die Agroforstwirtschaftsidee sich als nicht durchführbar erwies und die vormaligen landwirtschaftlich genutzten Flächen überschwemmt wurden, so die Berichte der Buchautoren, bliebe eben nur noch der Fischfang im Stausee-Reservoir. Aber der ist für viele Familien auch aus der weiteren Umgebung die einzige Einkommensquelle, so dass die Konkurrenz immer weiter ansteigt. Den Studien zufolge weichen die Bewohner*innen dergestalt dann auch vermehrt auf illegale Tätigkeiten aus, um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern. Sie dringen in die geschützten Gebiete ein, um dort illegal zu roden oder seltene, bedrohte Tierarten zu jagen.
Vor all diesen Folgen war schon lange zuvor gewarnt worden: Peter Bosshard und Josh Klemm (Peter Bosshard and Josh Klemm: „Does the World Bank’s „Success Story“ on Dams Still Hold Water? in: Huffington Post, October 2, 2015) haben die Argumente der Weltbank beim Nam Theun 2-Damm untersucht und sie – im Vergleich zu früheren Behauptungen der Weltbank inbezug auf vorherige Staudammvorhaben – auf ihre Konsistenz hin geprüft und als Mythen entlarvt.
Mythos 1: Nam Theun 2 trägt zur Linderung der Armut in Laos bei
Realität: 95 Prozent des Stroms wird nach Thailand exportiert. Die Regierung verweist auf die Einnahmen durch den Stromverkauf, die zur Armutsreduzierung eingesetzt werden sollten. Selbst die Weltbank gibt aber zu, dass der Verbleib von mehr als 50 Prozent der Einnahmen ungeklärt ist.
Mythos 2: Den umgesiedelten Gemeinden wird es besser als vor dem Projekt gehen
Realität: Die Umsiedlungen für den Bau von Nam Theun 2 wurden mit 40 Mio. US-$ veranschlagt und stellen somit das vielleicht ambitionierteste Umsiedlungsprojekt in der Geschichte der Bank dar. Umgesiedelte Familie hätten, so Bosshard und Klemm, zwar nun eine bessere lokale Infrastruktur mit Zugang zu Elektrizität, Straßen und Schulen. Aber die Umgesiedelten kämpfen mit dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen, vor allem dem Anbau von Gemüse und Viehzucht, da die neuen Landflächen zu klein und von schlechter Bodenqualität sind. Ob es den Familien langfristig besser oder schlechter gehen wird, hänge davon ab, ob sie an dem neuen Ort ihre Lebensgrundlage erwirtschaften können.
Mythos 3: Die negativen Auswirkungen flussabwärts des Damms werden bewältigt
Realität: Der Damm hat enorme Auswirkungen auf 120.000 Menschen, die flussabwärts des Damms leben. Sie leiden unter sinkenden Reisernten und dramatischen Rückgängen im Fischfang, die die Grundpfeiler ihrer lokalen Lebensgrundlage gebildet hatten. Das Programm der Weltbank, um die Auswirkungen zu lindern, wurde der laotischen Regierung etwa drei Jahre nach Inbetriebnahme des Damms ausgehändigt und wurde vorzeitig, nachdem die Mittel aufgebraucht waren, beendet.
Das „Modell-Investment“ der Weltbank Nam Theun 2 Dam in Laos: Verpasst, aus den eigenen Fehlern zu lernen?
Nam Theun 2 sollte anders sein, ein positives Modell für das Management der Risiken, die große Staudämme für Umwelt und Gemeinden darstellen. Heute, da die Weltbank wieder in große Staudammprojekte mit dem Versprechen von „nachhaltiger Wasserkraft“ als vermeintlichem Rettungsanker gegen den Klimawandel investiert, ist es fraglich, ob sie aus ihren Fehlern gelernt hat. Nam Theun 2 jedenfalls ist kein „Modellprojekt“, in dem Sinne, wie es die Weltbank propagiert hat. Nam Theun 2 ist ein menschliches Desaster und zerstörerisch für die Natur.