Haben die Behörden und Staudammbauer von Site C die geologischen Risiken bewußt verschwiegen?
Zwei hohe Beamte von British Columbia (B.C.), Kanada, wußten bereits im Mai 2019, dass das Projekt des Staudammbaus „Site C“ (GegenStrömung berichtete wiederholt) aufgrund seines „schwachen Fundaments“ ernsthafte geotechnische Probleme hatte, wie aus Dokumenten hervorgeht, die das Internetportal Narwal auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes erhalten hatte. Der stellvertretende stellvertretende Minister des Energieministeriums, Les MacLaren, und die stellvertretende Finanzministerin, Lori Wanamaker, wussten den Dokumenten zufolge im Juni 2019 ebenfalls, dass es wahrscheinliche Anzeichen für eine weitere Kostenüberschreitung beim Bau des Dammprojektes geben werde, so die Dokumente, die gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz von B.C. veröffentlicht wurden.
Dennoch erfuhren die Einwohner:innen von British Columbia über ein Jahr lang nichts von den eskalierenden Schwierigkeiten des Projekts, bis Energieminister Bruce Ralston am 31. Juli 2020 eine kurze Pressekonferenz abhielt. In dieser hieß es, dass der Staudamm am Standort C mit unbekannten Kostenüberschreitungen, Zeitplanverzögerungen und so tiefgreifenden geotechnischen Problemen konfrontiert sei, dass sein Gesamtzustand nun als „rot“ eingestuft werde – was bedeutet, dass er sich in ernsthaften Schwierigkeiten befindet.
Ende Januar 2020 beantragte das Portal Narwal bei BC Hydro Auskunft auf Basis des Informationsfreiheitsgesetz und bat um alle Tagesordnungen, Protokolle, Berichte und Empfehlungen des Projektsicherungsausschusses für Standort C. So wurde der Skandal um die bekannten, aber verschwiegenen geologischen Risiken öffentlich.
Ende Oktober dieses Jahres nun hat die für die Überwachung der Stromkonzerne zuständige Behördenkommission, die B.C. Utilities Commission, der verantwortlichen Staudammbauerfirma BC Hydro 70 Fragen über den in Schwierigkeiten geratenen Staudamm geschickt, in denen gefragt wurde, wann geotechnische Risiken zum ersten Mal erkannt wurden und wann die verschiedenen zuständigen Firmenebenen zum ersten Mal auf mögliche Probleme im Zusammenhang mit der Stabilität des Staudamms aufmerksam gemacht wurden.
Selbst ehemalige Stromkonzernmananer von BC Hydro wittern eine Vertuschung. „Ich glaube, sie sind zu dem Schluss gekommen – aber sie sagen es nicht – dass es eine Vertuschung durch BC Hydro und die Regierung von British Columbia gegeben hat“, sagte der ehemalige CEO von BC Hydro, Marc Eliesen, gegenüber The Narwhal. Eliesen sagte, geotechnische Risiken seien ein Hauptgrund dafür gewesen, dass der Vorstand von BC Hydro das Projekt Anfang der 1990er Jahre, als er an der Spitze von BC Hydro stand, abgelehnt habe. „Die geotechnischen Herausforderungen waren all die Jahre da“, sagte Eliesen, der auch der frühere Vorsitzende und CEO von Ontario Hydro, der frühere Vorsitzende von Manitoba Hydro und der frühere Vorsitzende und CEO der Energiebehörde von Manitoba ist.
Der Staudamm am Standort C ist das größte öffentlich finanzierte Infrastrukturprojekt in der Geschichte von B.C. Wenn er fertiggestellt ist, wird er 128 Kilometer des Peace River und seiner Nebenflüsse überfluten, Familien aus ihren Häusern vertreiben und die Grabstätten der First Nations, Hunderte von geschützten archäologischen Stätten, einige von Kanadas bestem Ackerland und Lebensraum für mehr als 100 vom Aussterben bedrohte Arten zerstören. „Site C“ wird der dritte von vier geplanten großen Staudämmen am Peace River, gelegen zwischen Hudson’s Hope und Fort St. John im Nordosten von British Columbia, sein. Das 1.100-Megawatt-Projekt würde Strom für 45.000 Haushalte liefern, droht jedoch 5.500 Hektar Lebensräume für seltene und gefährdete Wildtiere und weitere 3.800 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche zu überfluten. Das Projekt wurde trotz des anhaltenden Widerstand von indigenen und Umweltgruppen sowohl von der Bundes- als auch von der Provinzregierung genehmigt. Kritiker:innen monieren zudem, dass ein Großteil des Stroms eigentlich der energieintensiven Industrie zur Flüssiggaserstellung zukommen solle, das aus der extrem klimaschädlichen Ölteersandgewinnung komme. An der Turbinenlieferung für das Megaprojekt ist VoithHydro aus Deutschland beteiligt.