Neuer Bericht von Human Rights Watch über die Folgen der Staudämme am äthiopischen Omo-Fluss für die indigene Bevölkerung am Turkana-See in Kenia
Von Christian Russau, GegenStrömung
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat heute einen neuen Bericht über die Folgen der Staudämme am äthiopischen Omo-Fluss für die indigene Bevölkerung am Turkana-See in Kenia vorgestellt. Neueste Daten von Januar 2017, so Human Rights Watch, zeigten, dass durch die Staudammbauten flussaufwärts am Omo-Fluss der Wasserspiegel des Turkana-Sees in Kenia um 1,5 Meter zurückgegangen sei. Der Bericht warnt vor künftig weiterem Rückgang. Im Ferguson-Golf am Turkana-See, einem der am meisten für Fischfang durch die lokale Bevölkerung des See genutzten Regionen, sei der See mittlerweile um 1,7 Kilometer zurückgegangen, im Vergleich zu Messungen von November 2014. „Der prognostizierte Fall des Seespiegels wird die Nahrungssicherheit von einer halben Million Menschen in Kenia und Äthipoien entlang des Omo-Flusses und am Turkana-See schwerwiegend bedrohen“, so Felix Horne von Human Rights Watch.
2015 begann Äthiopien mit der Flutung des Gilgel Gibe III-Damms, so dass bereits in jenem Jahr das saisonale Hochwasser den Turkana-See nicht mehr erreichte und so einen Wasserabfall um 1,3 Meter in jenem Jahr verzeichnete, so Human Rights Watch. 2016 habe Äthiopien den Wasserzufluss wieder zugelassen, aber nicht in einem Maße, die den vorherigen Verlust an Wasser hätte ausgleichen können, so Human Rights Watch. So konstatiert Human Rights Watch‘ Untersuchung, dass der Wasserstand am 30. Januar 2017 um 1,5 Meter unter dem Vergleichsstand vor Beginn der Flutung der Omo-Staudämme lag. Die von dem Wasserrückgang betroffene indigene Turkana-Bevölkerung am gleichnamigen See erklärte gegenüber Human Rights Watch, ihnen seien die Gefahren der Wasserknappheit durch den Bau der Omo-Staudämme grundsätzlich bewußt, sie erklärten aber gleichzeitig, dass sie nie ausreichend über die Folgen informiert wurden. Vom Fischfang lebende Anrainer des Turkana-Sees erklärten gegenüber Human Rights Watch, dass die Erträge ihres Fischfangs massiv zurückgegangen seien. Eine 50-jährige Frau sagte: „Es ist schwierig dieser Tage… das Hauptproblem ist der Hunger. Da ist weniger Wasser im See.“
Äthiopiens Gilgel Gibe III-Damm, der am 17. Dezember 2016 in Betrieb genommen wurde, ist Teil eines großen Entwicklungsprojekts am unteren Omo-Fluss. Es besteht aus mehreren Wasserkraftwerken und Staudämmen sowie Zucker- und Baumwollplantagen. Die Zuckerplantagen wurden seit 2011 im Omo-Tal aufgebaut. Laut Human Rights Watch zeigten Satellitenbilder, dass am Ostufer des Omo-Fluss 19.500 Hektar Land für Zuckerplantagen gerodet wurden, weitere 10.500 Hektar seien am Westufer derzeit in Entwicklung, die ebenfalls mit Wasser aus dem Fluss bewässert werden sollen. Insgesamt prognostiziert Human Rights Watch 100.000 Hektar Land für Zuckerplantagen. Die erste Zuckerverarbeitungsfabrik solle Anfang 2017 seinen Betrieb aufnehmen.
Die Folgen des Staudamm- und Bewässerungsanbaus träfen neben der indigenen Bevölkerung am Turkana-See auch die BewohnerInnen in Äthiopien am Omo-Fluss. Denn in Äthiopien bestreitet die am Omo-Fluss lebende Bevölkerung ihr Auskommen größtenteils über Viehwirtschaft und kleinbäuerliche Landwirtschaft vor allem auf Schwemmlandböden. Das Ausbleiben der nährstoffreichen Überschwemmungen bedrohe die Bodenqualität und mithin das wirtschaftliche Auskommen der BewohnerInnen. Einige Gemeinschaften entlang des Flusses berichteten Human Rights Watch zudem über eingeschränkten Zugang zum Flusswasser und Nahrungsmittelknappheiten im Jahr vergangenen Jahr. Hinzu komme die ansteigende Landaneignung für die Monulturen, die vor allem die indigenen Gemeinschaften der Bodi und Mursi betreffe. „Die Vorhersagen über den Wasserrückgang am Turkana-See, die von Äthiopiens Regierung regelmäßig zur Seite gewischt wurden, stellen sich alle als wahr heraus und der Wasserspiegel ist gefallen“, so Felix Horne von Human Rights Watch. „Dies sollte als Warnung dafür dienen, was passiert, wenn die äthiopische Regierung damit fortfährt, die Notwendigkeiten der flussabwärts lebenden Gemeinschaften zu ignorieren, um den Ausbau der eignen Ressourcen so massiv voranzutreiben.“