Kritik auf der Jahreshauptversammlung von Siemens
Am 1. Februar war GegenStrömung gemeinsam mit den Vertreter*innen von Indigener und Volksrat von Honduras (COPINH), dem Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, dem Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit (Öku-Büro München) und Western Sahara Ressource Watch (WSRW) auf der Jahreshauptversammlung der Siemens AG. Vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre mit Rederecht ausgestattet, konnten die verschiedenen Vertreter*innen Kritik an der mangelnden menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht der Siemens AG üben, zu der das Unternehmen nach den UN Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte verpflichtet ist.
Tomás Gómez Membreño (COPINH) thematisierte in seinem Redebeitrag die Beteiligung von Siemens (über sein Joint Venture mit der Voith GmbH, Voith Hydro) am Wasserkraftwerkprojekt Agua Zarca in Honduras. Er machte Joe Kaeser darauf aufmerksam, dass Aktivist*innen sein Unternehmen bereits 2013 auf die Repressionen und Menschenrechtsverbrechen hingewiesen haben, die im Kontext dieses Projektes von Sicherheitskräften und Mitarbeitern der Firma Desarrollos Energéticos S.A. begangen werden. Dennoch verblieb das Unternehmen in dem Geschäft. Tómas Gómez machte deshalb Siemens mitverantwortlich für die Morde, die an Berta Cáceres und anderen Aktivist*innen des COPINH in den letzten Jahren begangen worden sind.
Erik Hagen (WSRW) thematisierte in seiner Rede die Beteiligung von Siemens am Bau von Windenergieprojekten von staatlichen marokkanischen Energiebehörden auf dem von Marokko besetzen Territorium Westsahara. Durch diese wirtschaftliche Aktivität helfe Siemens, die völkerrechtswidrige Besetzung zu zementieren. Durch die Besetzung werden die die Rechte der Saharawis, der Bevölkerung Westsaharas, auf Selbstbestimmung missachtet, zudem verweigere die Besatzungsmacht Marokko ihnen grundlegende politische Rechte.
Cristina Valdivia (Öku-Büro) thematisierte in ihrem Beitrag die Verstöße gegen indigene und Arbeiter*innenrechte, die die baskische Firma Gamesa beim Aufbau von Windparks auf der Landenge von Tehuantepec in Mexiko begeht. Im vergangenen Jahr haben Gamesa und Siemens ihr Windkraft Geschäft fusioniert, so dass die von Gamesa begangenen Verstöße auch Gegenstand der Sorgfaltspflicht von Siemens sind.
Thilo Papacek (GegenStrömung) erinnerte in seiner Rede Siemens eindrücklich an die Unternehmerische Sorgfaltspflicht nach den UN Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte und dass diese sich auf die gesamte Wertschöpfungskette beziehe. Gerade im Rahmen des Jointventures Voith Hydro werde dieser aber oft nachlässig nachgekommen, wie er an Fällen in Kanada und Chile demonstrierte. Er forderte auch Joe Kaeser auf, seinen Einfluss bei Voith Hydro geltend zu machen, um eine Beteiligung des Jointventures an den hoch umstrittenen Gilgel Gibe Staudammprojekten in Äthiopien zu verhindern. Zudem fragte er, wie Siemens seiner Menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht im Bezug auf die Kupferlieferungen nachkomme, auf die das Unternehmen angewiesen sei.
Zum Fall Agua Zarca erklärte der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser, dass er mit Herrn Dr. Uwe Lienhard, Chef von Voith, während einer Kanzlerreise im Militärtransporter nach Indien über den Fall Agua Zarca und die Ermordung Berta Cáceres gesprochen habe. Sie seien übereingekommen, dass auch Voith Hydro alle Lieferungen nach Honduras stoppe. Das sei im Frühjahr 2016 passiert. Daneben bezeichnete er Einlassungen, dass Siemens sich zu Komplizen eines Mordes an Berta Caceres gemacht habe, als nicht fair. Aber Siemens habe als Miteigner von Voith Hydro auch eine Mitverantwortung, dafür zu sorgen, dass an den Maschinen „kein Blut klebe“. „Wir sind weiterhin ausdrücklich daran interessiert, dass auch dieser schreckliche Mord rechtsverbindlich aufgeklärt wird und wann immer wir etwas dazu beitragen können, werden wir das tun“, erklärte er weiter.
Als Erwiderung auf den Beitrag von Cristina Valdivia zu Gamesa erklärte er, dass die Fusion erst seit dem 17.Juni 2016 gültig sei und er deshalb keine Stellungnahme zu Fällen in der Vergangenheit gebe.
In seiner Antwort auf den Beitrag von Thilo Papacek erklärte er, dass für die Genehmigung von Projekten „in erster Linie der Betreiber und damit Generalunternehmer verantwortlich“ seien. Siemens als Zulieferer verlasse sich darauf, dass wenn „die Genehmigung in einem demokratischen Land rechtsverbindlich erteilt ist, […] dass das auch alles seine Ordnung“ habe.
Ebenso gehe Siemens davon aus, dass bei Kupferlieferungen die Lieferanten sich auf die Einhaltung des Code of Conduct und auch auf die ILO-Konventionen verpflichteten, und deshalb alles seine Ordnung habe. Die Verantwortung liege bei den Lieferanten. Ebenso erklärte Joe Kaeser mehrfach, dass Siemens nur Miteigner bei Voith Hydro sei, und das Unternehmen keine volle Verantwortung für deren handeln habe.
Dazu ist folgendes zu sagen:
1- Die Tatsache, dass Voith Hydro an seiner Beteiligung am Wasserkraftprojekt Agua Zarca festgehalten habe, obwohl Siemens und auch Voith seit 2013 von Aktivist*innen mehrfach auf bestehende Menschenrechtsprobleme hingewiesen wurde, ist das Unternehmen seiner unternehmerischen Sorgfaltspflicht in fahrlässiger Weise nicht nachgekommen. Es hatte eben nicht „alles seine Ordnung“.
2- Die Aussage, dass sich Siemens darauf verlasse, dass in demokratischen Staaten die Lizenzvergabe für Bergbau- oder Wasserkraftprojekte „schon seine Ordnung habe“ ist bestenfalls naiv und geht an der Realität vorbei. In Staaten wie z.B. Honduras oder Peru sind rechtsstaatliche Institutionen sehr schwach, im Falle Honduras kann man davon sprechen, dass sie völlig disfunktional sind. Sich bei seinem unternehmerischen Handeln auf diese schwachen Institutionen zu verlassen, widerspricht völlig dem Geist der UN Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte. Unternehmen sollen gerade mit in die Verantwortung für die Wahrung von Menschenrechten genommen werden, wenn es um Geschäftstätigkeiten in Ländern mit schwacher Rechtsstaatlichkeit gehe.
3- Die Aussage, dass Siemens keine Verantwortung für das Verhalten von Unternehmen, an denen Siemens eine Minderheitenbeteiligung habe (Voith Hydro) oder von denen Siemens seine Waren beziehe (Kupferlieferketten) widerspricht ebenfalls dem Geist der UN Leitlinien für Wirschaft und Menschenrechte, denn diese beziehen sich explizit auf die gesamte Wertschöpfungskette und Geschäftsbeziehunge