Staudammkontrolle wird in Brasilien zurückgefahren
Die Haushaltskrise zu lösen mittels großer Sparmaßnahmen – dies wird von der brasilianischen Regierung mit aller Macht vorangetrieben. Nun trifft es die Sicherheit der Staudämme im Land.
Von Christian Russau
Eineinhalb Jahre nach dem größten Dammbruch in Brasilien, dem Bruch des Staubeckens Fundão der Eisenerzmine der Firma Samarco bei Mariana im Bundesstaat Minas im November 2015, bei dem 19 Menschen ums Leben kamen, zwei Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden und 680 Kilomter Fluss des Rio Doce mit Bergbaurückständen verseucht wurden, so dass tausende Kleinfischer/innen ihr Einkommen verloren haben und 3,5 Millionen Menschen über Monate, einige noch heute, von der Tinkwasserversorgungen abgeschnitten waren, muss die staatliche Aufsichtsbehörde für Energie, Agência Nacional de Energia Elétrica (Aneel), ihr Programm zur Überwachung und Kontrolle der 936 Staudämme zur Wasserkraftproduktion drastisch einschränken. Die Regierung von Michel Temer habe im diesjährigen Haushaltsplan Kürzungen für die Aneel in Höhe von 45% der Kosten vorgesehen. Diese Mitteleinsparungen haben direkte Auswirkungen auf die Tätigkeiten der Aneel, wie die Wirtschaftszeitung Valor Econômico berichtet. Demnach sei die Aneel nun gezwungen, die Vorort-Besuche der Staudämme drastisch einzuschränken. Laut dem Valor Econômico wurden von der Aneel in einer vorherigen Studie die Hälfte der in Brasilien existierenden Staudämme für den Fall eines Bruches als potentiell extrem hohe Schadensverursacher eingestuft, da sich flussabwärts viele Gemeinden befinden, die von einem Bruch direkt betroffen wären. Laut dem Zeitungsbericht plant die Aneel, die 45%ige Mittelkürzung dadurch auszugleichen, dass statt der teureren Vorort-Besuche nun die Analyse von Photographien und Luftaufnahmen die Basis der Monitoringarbeit der Aneel in Sachen Staudammsicherheit sein soll, berichtet der Valor Econômico. Dabei verfügt die Aneel eigentlich neben der Staatsfinanzierung über weitere Mittel. Denn jede Konsument/in in Brasilien zahlt auf die Stromrechnung einen Betrag in Höhe von 0,4 Prozent als Abgabe an die Aneel. Dieser Prozentbetrag summiert sich jährlich auf 500 Millionen Reais, derzeit umgerechnet 146 Millionen Euro. Doch ein beträchtlicher Teil dieses Geldes wird im Rahmen der Haushaltskonsolidierung seit Jahren der Aneel von der Regierung wieder entzogen und dem allgemeinen Bundeshaushalt zugeschlagen. Seit 1998 hat die Aneel so insgesamt drei Milliarden Reais, derzeit umgerechnet 877 Millionen Euro, an den Bund abgeführt.
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