Studie: Fische im nördlichen Amazonasgebiet bei Quecksilber durch Goldwäsche über Grenzwerten verseucht
Eine im Juli dieses Jahres im International Journal of Environmental Research and Public Health eröffentlichte Studie weist über WHO-Grenzwerten liegende Quecksilberwerte in Speisefischen, dem Proteingrundnahrungsmittel der flussanwohnenden Indigenen Gemeinden, nach. Der Klein-Goldbergbau ist den Forscher:innen der staatlichen Oswaldo Cruz Stiftung (Fiocruz), dem WWF Brazil und dem Amapá Institut für Wissenschafts- und Technologieforschung IEPA sowie dem Institut für Indigenes Forschung und Training Iepé zufolge die Hauptquelle anthropogener Quecksilberemissionen und -kontaminationen in Lateinamerika. Im vergangenen Jahrhundert erfolgte die Hauptverseuchung von Umwelt und Bevölkerung durch den Verzehr von Fisch, ein Umstand, der angesichst der hohen Quecksilberwerte die Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlagen der traditionellen Gemeinschaften gefährde, so die Forscher:innen. Die Untersuchung wurde im brasilianischen Nordamazonas, konkret im Bundesstaat Amapá, durchgeführt.
Für die Gemeinschaften im Amazonas ist Fisch schon immer ein wichtiger Bestandteil der Ernährung, bei der notwendigen Proteinzufuhr gar der wichtigste Faktor. In den nördlichen Ausläufern des Amazonas sind die vier wichtigsten Fischarten, die verspeist werden, der Studie zufolge Tucunaré, Pirapucu, Trairão und Mandubé. Doch der Goldbergbau hat diese Fische zu einem oft tödlichen Gesundheitsrisiko werden lassen. Laut der Studie lag der Quecksilbergehalt in Pirapucu viermal höher als der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegte sichere Grenzwert. Die Forscher:innen analysierten 428 Proben von Fischen, die zwischen 2017 und 2018 in fünf Flüssen im brasilianischen Bundesstaat Amapá gefangen wurden. Die Sammelstellen befanden sich in der Nähe von Bergbaueinzugsgebieten, in denen Quecksilber häufig zur Trennung von Gold und Erz verwendet wird. Das Ergebnis: In allen Proben wurden nachweisbare Quecksilbermengen gefunden. In 28,7% von ihnen überschritt die Menge den WHO-Grenzwert.
Die Studie weist vor allem auf die Risiken hin, denen die indigene und an Flüssen lebende Bevölkerung des Bundesstaates ausgesetzt ist, insbesondere Kinder. Einer der Mitverfasser der Studie, Paulo Basta, ein Arzt und Fiocruz-Forscher sagt, die Auswirkungen der Quecksilberbelastung auf ungeborene Kinder seien bereits gut dokumentiert. Diese Kinder „können Beeinträchtigungen des Intelligenzquotienten erleiden, die ihr ganzes Leben lang anhalten werden“, sagt er. „Sie werden Lernschwierigkeiten und geringere Chancen auf einen guten Arbeitsplatz und ein gutes Einkommen haben. Das Ergebnis ist ein ständiger Kreislauf von Ungleichheit und Armut“. In den schwersten Fällen kann das Kind mit Missbildungen geboren werden. Bei Erwachsenen kann die Quecksilberverunreinigung zu Koordinationsproblemen wie Gehschwierigkeiten und Handzittern, Hör- und Sehbehinderungen und sogar zu Demenz führen, so Basta. Der stellvertretende Exekutivdirektor des an der Studie beteiligten Instituts Iepé, Décio Yokota, ein weiterer Mitautor der Studie, sagt, dass Fisch aus dem untersuchten Gebiet von Menschen aus mindestens vier indigenen Gebieten verzehrt wird: Wajãpi, Uaçá, Juminã und Galibi. Für diese Populationen ist Fisch die Hauptproteinquelle und somit auch Hauptursacheder der Quecksilberverunreinigung bei menschen – dies infolge der Bioakkumulation. „Kleine Fische fressen die Algen, dann frisst ein grösserer Fisch die kleinen Fische und wird von anderen, noch größeren Fischen gefressen“, sagt er. „Deshalb stehen die am stärksten kontaminierten Fische in der Regel an der Spitze der Nahrungskette. Dabei reichern sie eine sehr grosse Menge Quecksilber an“, sagt er. Dies erklärt, so die Forscher:innen, warum Raubfische in der Studie die höchsten Kontaminationswerte aufwiesen: Bei 77,6% von ihnen lag das Quecksilber über dem WHO-Grenzwert. „Wenn man diese kontaminierten Fische jeden Tag ißt, erhöht sich der Kontaminationsgrad jedes Mal, wenn man sie ißt“, sagt Basta. Bei den allesfressenden Fischen, die sich sowohl von Fischen als auch von Pflanzen ernähren, lag der Anteil der mit unsicheren Quecksilberwerten kontaminierten Fische bei 20%, bei den pflanzenfressenden Fischen bei 2,4%.